Ludwigshafen Schuld ist nur die Blume

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Wenn Griechen tanzen und Feen lieben, kann das äußerst amüsant werden. Mit „The Fairy Queen“ von Henry Purcell gastierte das Staatstheater Mainz am Freitag und Samstag im Ludwigshafener Pfalzbau. Inszeniert hat Jo Strømgren, ein Tänzer. Welch ein Glück.

Die haben alle eine Schraube locker dort im Wald, in der Welt der Feen. Und auch in Athen tun sie seltsame Dinge. Diagnose: Liebesrausch. Auslöser: die Blume – deren Saft, von Königsdiener Puck auf schlafende Augen geträufelt, die Erwachenden zu Liebestollen macht. Ja klar, kennen wir alles schon aus William Shakespeares „Sommernachtstraum“, den Purcell in seine sogenannte Semi-Oper „The Fairy Queen“ übernimmt. Aber Regisseur Jo Strømgren treibt das Chaos auf die allerhöchste Spitze. Erstaunlich eigentlich, dass das überzeugen kann; dass seine Mischung aus Monty-Python-Situationen und Klamauk nicht ins Lächerliche und Anstrengende abrutscht. Wenn verliebte Jünglinge schlaftrunken (oder besoffen?) beinahe vom Trojanischen Pferd fallen, griechische Heilige von Marmorsäulen stürzen oder Neuverliebte sich lüstern verfolgen, die Unterwäsche schon auf halber Wegstrecke verlierend. Es funktioniert herrlich, was wohl einerseits dem überzeugenden Spiel der Akteure zu verdanken ist – allen voran Klaus Köhler in der Doppelrolle Theseus/Oberon – andererseits dem Regisseur, der auch für die Choreografie verantwortlich ist. Purcells Werk ist eine Mischung aus Oper, Schauspiel und Ballett. Deshalb auch „Semi-Oper“. Und Jo Strømgren ist Tänzer und Choreograf, leitet in Norwegen eine eigene Tanzkompanie. Er macht, neben all den komischen Momenten, aus seiner „Fairy Queen“ deshalb auch ein großes Spiel der Körperlichkeit. Poesie der Bewegung. Kraftvoll, ausdrucksstark. Die Feen mit rotem Haarschopf und nachtschwarzer Bekleidung (Kostüme: Bregje van Balen) bewegen sich wild, ursprünglich, dann wieder geheimnisvoll. Im Gegensatz dazu choreografiert Strømgren die Welt der Griechen: eine Parodie aufs Klassische, Antike. Und dann gibt es da noch Puck, Diener des Elfenkönigs Oberon, den Mattia De Salve mit seiner überragenden Körperfähigkeit affengleich über die Bühne jagen lässt. Und er kapiert einfach nicht, was der Feenkönig da von ihm will, mit dieser Blume. De Salve ist dann auch Publikumsliebling beim Schlussapplaus. Mit dem Sommernachtstraum hat man’s als Regisseur ja ohnehin nicht leicht: mehr als zehn Personen auf die Bühne, Feenwald und Griechenland, dazu eine Handlung die – sagen wir mal freundlich – zu Unübersichtlichkeit neigt. Strømgren hat die witzige Idee, Sänger als Statuen auf die Bühne tragen zu lassen, so dass sie auch mal in Schräglage singen müssen. Auf ihrer Säule platziert, stimmen sie die Arie dann vollständig an. Allerdings zieht der Regisseur diese Trennung von Schauspiel und Gesang nicht konsequent durch, was alles noch ein wenig verwirrender macht. Aber das ist nebensächlich. Viel gelacht wird und reichlich originell ist’s dazu. Was der gelungenen Inszenierung allerdings fehlt, sind die ruhigen und melancholischen Momente. Komponist Purcell hat die in seine Musik eingebaut. Etwa im liebeskummer-tränenden „If Love’s a Sweet Passion“. Doch die Inszenierung ist so stark auf die lustigen Momente angelegt und Dirigent Michael Millard führte das Philharmonische Staatsorchester Mainz wenig schwelgend, sondern barockgemäß pointiert, so dass es nur einmal wirklich sentimental wird. Nämlich als Helena (Dorin Rahardja) ihr „O Let Me Weep“ anstimmt. Sie fühlt sich von der Welt verhöhnt, von all den Männern, die angeblich ihr Herz an sie verloren haben, diese Völlig-Gaga-Kerle, zauberblumenhigh, triebgesteuert. Rahardja singt mit kräftigem Timbre, vibratodurchströmt, verzweifelt eben. Zum Verzweifeln ist unterdessen auch die Besucheranzahl am ersten von zwei Aufführungsabenden im Pfalzbau. Nur weniger als die Hälfte der Plätze ist besetzt. So schlecht besucht ist dort selten eine Veranstaltung. Dabei ist selten ein Werk so heiter und gleichzeitig anspruchsvoll – hier vor allem in den Tanzteilen – umgesetzt.

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