Ludwigshafen Tango und Bambusflöte

91-87093748.jpg

Einmal im Jahr erklingt Musik in der ehemaligen Bäckerei Wendel in der Oggersheimer Notwende-Siedlung. Unter dem Motto „Kultur in der Backstubb“ veranstaltet der Flötist Wolfgang Wendel, gleichzeitig Sohn des Haues, ein Konzert unter dem Motto „Kultur in der Backstubb“. Geboten werden unkonventionelle Programme auf höchstem musikalischem Niveau. Diesmal spielte Wendel mit seinem Piazzolla Trio, zu dem noch die taiwanesische Pianistin Ya-Wen Chuang und der Cellist Martin Bärenz gehören.

Unkonventionell geht es auch im lauschigen Hof des Wendelschen Anwesens zu, wo die Besucher unter freiem Himmel auf Bierbänken oder auf einer Hollywood-Schaukel sitzen. Bei der Musik geht es aber nicht serenadenmäßig-locker, sondern höchst konzentriert und anspruchsvoll zu. Das Trio Piazzolla besteht schließlich aus drei großartigen, bestens miteinander harmonierenden Musikern. Der Ludwigshafener Wolfgang Wendel hat in Freiburg bei Robert Aitken, dem Altmeister des avantgardistischen Flötenspiels, studiert. Er genießt weltweit einen Ruf vor allem auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik, ist aber auch im klassischen Stil und in der lateinamerikanischen Musik zu Hause. Ya-Wen Chuang hat in ihrer Heimat Taiwan und in Belgien Klavier studiert und lehrt an der Universität Taipeh. Der vielseitige Martin Bärenz, der in Heidelberg lebt, ist nicht nur in der Musikszene der Region als Cellist bestens bekannt, auch als Begleiter der Liedermacher Hannes Wader oder Christoph Stählin kennt man ihn und als Komponisten kindgerechter Märchenvertonungen. Wie der Name sagt, hat sich sich das Ensemble dem Tango verschrieben, besonders der Musik des Tango-Nuevo-Schöpfers Astor Piazzolla. Der stand auch auf dem Programm, aber als Kontrast dazu gab es Musik aus Taiwan, eine Referenz an die Heimat der Pianistin und an das Land, zu dem Wendel eine enge Beziehung pflegt. Dabei stellte sich heraus, dass die der westlichen Kultur verbundene taiwanesische Musik und der zeitgenössische argentinische Tango gar nicht so weit auseinander liegen. Umrahmt wurde der Abend von einem Piazzolla-Klassiker, den „Vier Jahreszeiten in Buenos Aires“. Intrikate kammermusikalische Strukturen verbinden sich in diesem Stück mit lateinamerikanischen Tanzrhythmen und Elementen des Jazz. Ständig wechseln Tempo und Ausdruck, was hohe Anforderungen an die Interpreten stellt, Die wurden allem bestens gerecht, musizierten feinsinnig und elegant, brachten das Melancholische wie das Feurige gleichermaßen herüber, beschworen Sommerschwüle wie winterliche Kühle. Die dunklen Töne der Bassflöte nutzte Wendel für Piazzollas „Tanti anni prima“, dessen „Milonga carriguerra“ spielte er auf der luftig klingenden taiwanesischen Xiao-Flöte, einer Bambusflöte. Die taiwanesische Musik, sowie es sich nicht um die ganz traditionelle handelt, hat sich stark an westlichen Modellen orientiert. Martin Bärenz spielte zwei taiwanesische Volkslieder und traf den Charakter der Vorlage, wo jeder Ton seinen individuellen Verlauf erfährt, mit seinem warmen, flexiblen Celloklang recht genau. Ein virtuoses Feuerwerk auf der Piccoloflöte lieferte Wolfgang Wendel in einem eigentlich für chinesische Bambusflöte komponierten Konzert von Ma Shui-Long. Schließlich war mit Shing-Kwei Tzeng noch einer der renommiertesten Komponisten zeitgenössischer Musik aus Taiwan in Oggersheim anwesend. Er hat in Freiburg Komposition studiert und verbindet in seinem Stück „Nostalgias“, von dem hier der erste Satz erklang, direkt traditionelle asiatische Musik mit den avantgardistischen Strukturen des Westens. Das Volkslied „Der Grashüpfer neckt den Hahn“ wird kontrastiert von modern-dissonanten Klängen, die in einer auf einem taiwanesischen Formmodell basierenden metrischen Reihe angeordnet sind. Begeisterter Applaus und ein Eisenbahnstück sowie die in Taiwan höchst populäre „Green Isalnd Serenade“ folgten als Zugabe.

x