Ludwigshafen Weißes oder schwarzes Zebra?

Zwar waren die Plakate im künstlerischen Sinne gar keine Plakate, doch das haben die Gestalter der großformatigen Arbeiten, die in einer Ecke des Museums gezeigt wurden, gestern erst in der letzten von sechs Ansprachen erfahren, die von Organisatoren, Vertretern der Jugendverbände und der Jury gehalten wurden: Der Ludwigshafener Maler Manfred Graf erläuterte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des fünfköpfigen Bewertungsgremiums, was ein gutes Plakat ausmache. Es müsse ein Blickfang sein, die Schrift dürfe nicht zu klein sein, der Text nicht zu lang. Auch müsse das „Fettaugenprinzip“ der Suppe berücksichtigt werden, denn die Aufmerksamkeit des Betrachters müsse von diesen an der Oberfläche schwimmenden Gebilden zu den Nudeln gelenkt werden, die sich am Boden des Suppentopfs befänden. Die interessanten Ausführungen des 72-jährigen Künstlers kamen für die junge Leyla und ihre Mitautorinnen von der Ditip-Jugend, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, zu spät. Die Mädchen hatten nämlich die Idee, unterschiedliche Menschen in Ludwigshafen an unterschiedlichen Orten zu fotografieren. Dabei sollte jede abgebildete Person einen Gedanken, eine spontane Idee auf ein DIN-A-3-Blatt schreiben und es in die Kamera halten: etwas über Vielfalt, Andersartigkeit, Toleranz oder Vorurteile. Die aussagekräftigsten Fotos wurden aufgeklebt und gerahmt. So schrieb ein Junge mit asiatischen Wurzeln: „Nein, ich esse keinen Hund.“ Eine ältere Frau hält ein Blatt mit der Aufschrift in die Kamera: „Ich bin fit.“ Von einer jungen Türkin kommt die Aussage: „Nein, ich dusche nicht mit Kopftuch.“ Schifferstadter Gymnasialschüler hatten auf eine ihrer Arbeiten den – in den sozialen Netzwerken kursierenden – Text geschrieben: „Rassismus ist, wenn weiße Zebras mit schwarzen Streifen schwarze Zebras mit weißen Streifen hassen.“ Vom Jugendgemeinderat Römerberg kommt ein Plakat mit dem Text „Hey Alter, leg’ mal um den Schalter!!!“ Ein solcher ist mit den Optionen „On“ und „Off“ zu sehen. Viele Texte sind auf Englisch, etwa „All Love is allowed“ (jede Art von Liebe ist erlaubt). Auf diesem Plakat sind zahlreiche unterschiedliche Gesichter und Köpfe zu sehen, auch küssende Menschen. Zur Eröffnung der Veranstaltung waren Reden über Ziele, Hoffnungen und Ergebnisse gehalten worden: Pfarrerin Kerstin Bartels als ehemalige Vorsitzende des Stadtjugendrings, Paul Neuberger, der Vorsitzende des Kreisjugendrings, Rüdiger Stein, DGB-Vertreter im Stadtjugendring, und Gerhard Kaufmann von der Stadtförderung Ludwigshafen schilderten die monatelange Wartezeit, die seit der Ausschreibung des Wettbewerbs im Sommer 2014 vergangen sei, bis endlich in diesem Frühjahr die ersten Arbeiten eingereicht worden seien. Auch war die Rede von der großen Resonanz des Aufrufs. Denn niemand habe genau gewusst, wie die jungen Menschen die Themen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus sowie ihre Vision von einem Leben in Vielfalt umsetzen würden. Ausdrücklich erwünscht seien Gruppenarbeiten gewesen, hieß es. Damit die Jugendlichen miteinander diskutieren, unterschiedliche Herangehensweisen ausprobieren und zu möglichst tiefgehenden Erkenntnissen gelangen sollten. Schließlich, sagte einer der Redner, sollten ursprünglich die drei besten Arbeiten ausgezeichnet werden. Das sei der Jury aber schwer gefallen, und sie habe entschieden, keine Preise zu vergeben. Offen blieb, ob die Entscheidung auch im Zusammenhang mit den Maßstäben an eine künstlerische Plakatgestaltung stand. So waren gestern 15 Arbeiten zu bestaunen, man konnte sich mit den Künstlern unterhalten, ihnen Fragen stellen, sich Details erklären lassen. Die jungen Leute, die Freunde und Familienangehörige mitgebracht hatten, taten es gerne – Plakat hin oder her. Hauptsache, die Arbeiten hängen in einem richtigen Museum. Das sei nämlich gar nicht normal, hatte Pfarrerin Bartels gesagt. „Denn hier hängen ganz andere Sachen.“

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