Ludwigshafen Wenn einen schon eine Auszeit stresst

Besinnliche Adventszeit – alle Jahre frage ich mich, wer diesen Mythos eigentlich in die Welt gesetzt hat. Es ist – angeblich – die Zeit, in der man in eine warme Decke eingekuschelt auf der Couch liegt, Tee mit Marzipan-Aroma oder wahlweise heiße Schokolade mit einer Prise Zimt schlürft, Weihnachtsmusik lauscht und ein gutes Buch liest. Samstags schlendert man gemütlich durch die Stadt, besorgt noch das letzte fehlende Geschenk, danach geht’s ganz „relaxed“ auf den Weihnachtsmarkt bei Glühwein oder Punsch. Und für Sonntag hat man sich natürlich zum Weihnachtsbrunch verabredet. Hach, wie schön! Wenn das so wäre, ja dann könnte ich die Vorweihnachtszeit gar nicht erwarten. Aber irgendwie lebe ich in einer anderen Welt. In einer Welt, in der die Aufgaben ab Ende November umgekehrt proportional mit dem Countdown bis zum Tag X-(Mas) ansteigen. Es beginnt ganz harmlos mit der Frage meiner Mama: „Was für einen Adventskalender wollen meine Enkelkinder denn dieses Jahr? Playmobil, Barbie, Bibi Blocksberg oder Lego-Ninjago?“ Geht dann über in eine chaotische Haus-Schmück-Aktion (bei der die Kinder den Deko-Schrank atomisieren), Einkaufsstress, Plätzchen backen in der Schule, Adventsbasar in der Kita, Sitzungen aller Art und Weihnachtsfeiern. Das wird dann – „Alle Jahre wieder“ – harmonisch untermalt mit Grippe- oder Magen-Darm-Seuche. „Stille Nacht“ – haha! Da kommt das Angebot der katholischen Kirche Mutterstadt sehr gelegen. Vergangenen Samstag hat die Gemeinde ihre Kirche für zwei Stunden geöffnet. Bei Weihnachtsmusik konnte jeder, der sich derzeit gestresst fühlt, einfach mal für eine Weile zur Ruhe kommen. Eine tolle Idee. Aber was soll ich sagen, ich habe es einfach nicht geschafft, zwischen all den Advents-Wochenend-Terminen eine Auszeit in einer Kirche zu quetschen. Das ist doch bedenklich, wenn einen schon das Angebot für eine Auszeit stresst? „Du musst aber mal runterkommen“, sagte ich mir. Also habe ich es bewusst ausprobiert, mich quasi dazu gezwungen. Ich habe mich zu Hause mal hingesetzt, einen Tee getrunken, Musik gehört und versucht, einfach an nichts zu denken. Genau zwölf Minuten hat es gedauert, da hat der Postbote geklingelt und Pakete für mich und die Nachbarn gebracht. Ah, zum Glück, das Geschenk für die Tochter ist doch noch pünktlich gekommen. Aber wo ist das für den Papa? Schwups, war der Puls wieder auf 180. Nächstes Jahr schaffe ich vielleicht eine Viertelstunde! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen die mir vergönnte besinnliche Rest-Vorweihnachtszeit und ein geruhsames Fest. Die Kolumne Einmal im Monat macht sich die Marktplatz-Redaktion – nicht immer ganz ernst gemeinte – Gedanken über das Leben und die Liebe. Was gefällt und was nicht, finden wir, ist „Ansichtssache“.

x