Neustadt Der Schwerenöter wird ertappt

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Neustadt. Als Hochstapler und Heiratsschwindler Ulrich Rösner läuft Jochen Busse im Lustspiel „Der Kurschattenmann“ zu Hochform auf. Sein Jagdrevier ist eine Kurklinik, wo allerlei wohlbetuchte Damen seine Beute bilden. Aber auch seine „Opfer“, die später zu Gegenspielerinnen werden, können sich sehen lassen: Mit Ingrid Steeger, Christiane Rücker, Christine Schild und Simone Rethel trat am Dienstag im Neustadter Saalbau eine echte Starbesetzung an.

Als Charmeur ist Rösner freilich nicht gerade subtil. Er quasselt nicht nur, er grapscht auch. Als Mensch der Jetztzeit wundert man sich, dass Frauen sich so viel Aufdringlichkeit gefallen lassen. Aber hier geht es ja nicht um zeitgenössisches gesellschaftskritisches Drama – hier geht es einzig und allein um Spaß und Unterhaltung. Betrachtet man die Figuren als überzeichnete Karikaturen bestimmter Charaktertypen, wird man dem Stück von René Heinersdorff eher gerecht. Regie bei der Koproduktion des Düsseldorfer „Theaters an der Kö“ und der „Komödie im Bayerischen Hof“ in München führte Horst Johanning. So wirft sich Busse mit Begeisterung in die Posen des Schürzenjägers. Manchmal trägt er so dick auf, dass er damit auch in einem alten Stummfilm mitspielen könnte. Sein Timing ist exzellent, er bringt jeden Gag so, dass er im Publikum ankommt. Ein gewisser Aufwand ist natürlich nötig, um sich gegen vier ansehnliche Schauspielerinnen zu behaupten. Als Dauerpatientin Edith wirkt Ingrid Steeger zerbrechlich, zieht die Schultern hoch und kauert sich in sich zusammen, dass man sich fast wirklich Sorgen macht. Sie brummelt viel in ihren Bart, den sie nicht hat, und ist deshalb nicht immer gut zu verstehen. Alice, gespielt von Christine Schild, ist eigentlich eine starke Frau, der man kaum abnimmt, dass sie Rösners aufdringlichen Avancen erliegt. Eine Überraschung ist es, dass auch die strenge Chefärztin Isabel, dargestellt von Christiane Rücker, insgeheim dem Herzensbrecher verfallen ist. Oda (Simone Rethel) dagegen scheint ebenfalls eine Hochstaplerin zu sein - das wird aber nicht weiter verfolgt. Sie lädt die anderen zu Kartenspiel und Whisky ein. Für die Zuschauer ist es witzig zu sehen, wie Rösner sich bei den verschiedenen Frauen nacheinander als Banker, Architekt und Kapitän zur See präsentiert, aber auch immer die gleichen Floskeln abspult. Der alte Schwerenöter kommt erst in Bedrängnis, als Oda die verschiedenen Frauen an einen Tisch bringt. Beim Kartenspiel unterhalten sie sich und da durchschauen sie sein Spiel. Die Rache ist ebenfalls witzig. Es ist eine Variation des im Boulevardtheater beliebten „Bäumchen wechsel dich“: Vordergründig zum Rendez-vous mit nur einer der Damen verabredet, lauern die anderen unsichtbar im Hintergrund, und wenn Rösner grad nicht hinsieht, tauschen sie sich aus. Das ist turbulent und witzig. Am Ende stehen alle vor ihm und Rösner ereilt eine gnädige Ohnmacht. Da allerdings brechen auch Spannung und Tempo des Stücks ein. Die Frauen denken nach, warum sie Rösner nicht widerstehen konnten, es wird etwas ernster - aber eigentlich will das hier nicht so richtig passen. Am Ende geht alles irgendwie gut aus, der Schluss wirkt versöhnlich. Es gibt riesigen Applaus und der erstaunlich jung und gelenkig gebliebene Busse verbeugt sich trotz seiner 74 Jahre so tief, dass er mit der Nase an die Kniescheiben stößt.

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