Neustadt Die große Lust am Experiment

Daniel T. Brauns Fotografie „Bomb“ wirkt wie die Momentaufnahme einer Explosion. Tatsächlich aber handelt es sich um ein Modell.
Daniel T. Brauns Fotografie »Bomb« wirkt wie die Momentaufnahme einer Explosion. Tatsächlich aber handelt es sich um ein Modell.

«Neustadt». Man sollte besser zweimal hinsehen, bei der Fotoausstellung, die die Neustadter Galerie Upart derzeit als Teil des Metropolregion-Festivals „Off-Foto 2017“ bei sich präsentiert. Denn die beiden in Heidelberg lebenden Fotografen Daniel T. Braun und Eyal Pinkas lieben das Spiel mit der Wahrnehmung, dem Rätsel und der Verblüffung.

Wirkt das wandfüllende Bild „Bomb“ von Daniel T. Braun zum Beispiel nicht wie die Momentaufnahme einer Explosion in irgendeiner Diskothek? Nur für den oberflächlichen Betrachter! Spätestens beim zweiten Blick erkennt man nämlich, dass Braun hier ein kunstvoll arrangiertes Modell abfotografiert hat, bei dem nur Watte und Alufolie für die explosive Illusion sorgen. Aber auch mit den Plastikgießkannen der Serie „Alternative Springs“ von Eyal Pinkas, die einen bildgewaltig gleich im Foyer der Galerie empfangen, stimmt irgendetwas nicht. Erst über einige Umwege wird einem klar, dass der israelische Künstler die Kannen zerschnitten, jedes Einzelteil abfotografiert und die Einzelfotos dann vor farbig-monochromem Hintergrund wieder zusammengefügt hat. Das Ergebnis hat etwas Schwebendes, Unwirkliches, Irritierendes. Technisch gehen die beiden Künstler dabei ganz unterschiedliche Wege, auch wenn sie die Lust am Experiment vereint: Braun, 1975 in Pforzheim geboren und an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe zum Medienkünstler ausgebildet, führt die analoge Fotografie quasi zur Vollendung. Nicht umsonst hat er in einem 30-teiligen Projekt William Talbots „The Pencil of Nature“, das erste Fotobuch der Geschichte, auf sehr kreative Weise adaptiert. Pinkas dagegen, Jahrgang 1980 und Absolvent der Bezalel Academy in Tel Aviv und der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam, arbeitet konsequent digital, Nachbearbeitungen am PC eingeschlossen. Von Braun sind in der Ausstellung gleich mehrere, verblüffend gegensätzliche Serien zu sehen, die zum Teil zu dem Talbot-Projekt gehören oder aus diesem hervorgegangen sind. Damit korrespondiert seine besondere Vorliebe für das Spiel mit Zitaten aus der Geschichte der Fotografie. So begegnet man etwa dem von einer Pistolenkugel durchbohrten Apfel des Amerikaners Harold Edgerton, dem Pionier der Hochgeschwindigkeitsfotografie, der bei Braun allerdings ebenfalls im Modell nachgestellt wurde, oder Arbeiten wie der Offset-Edition „The Eagle in Emotion“, die die frühen Bewegungsstudien des Briten Eadweard Muybridge aufgreift. Die vielteilige Unikatserie „Eye Planets“ wiederum wirkt wie Wissenschaftsfotografie: Man assoziiert bei den bunten Kugeln vor tiefschwarzem Hintergrund unwillkürlich ferne Gasplaneten. Tatsächlich handelt es sich um mit Taschenteleskop und Handykamera aufgenommene Ausschnitte von Äckern, Straßen oder Wolken. Für seine Photogramme legt der Badener Objekte direkt auf das Farbfotopapier und bewegt sie während der Belichtungszeit. Bei „AZ no. 6“ war dies ein Schwert. Das Ergebnis wirkt wie eine Feder im Wind oder ein Tiefseewesen. Und in den „Raketogrammen“ wie „Vought“ materialisiert sich eine im Studio erzeugte Explosion direkt auf der Emulsion. Der Begriff Fotografie, was ja „zeichnen mit Licht“ bedeutet, bekommt hier eine ganz elementare Bedeutung. Gelegentlich bringt sich Braun dabei auch selbst ins Spiel. Für eine Langzeitbelichtung zum Beispiel lief er mit einer brennenden SOS-Fackel durch den Wald. Das Ergebnis: magisch, mystisch, geheimnisvoll. Eyal Pinkas’ Bilder dagegen kommen ganz ohne menschliches Beiwerk aus. Er setzt konsequent auf inszenierte Fotografie in der Tradition des Stilllebens, wobei die Szenarien, so einfach das Ergebnis auch aussehen mag, nicht selten äußerst komplex sind. Besonders gerne arbeitet er dabei mit billigen Massenprodukten unserer industrialisierten Konsumwelt, was man vielleicht auch als kleine Rache an den Auftraggebern deuten kann, für die der Israeli in seinem zweiten Leben als Werbefotograf tätig ist. In seiner jüngsten Farbserie „Klappkisten“ zum Beispiel arrangierte er zerschnittene Plastikschlappen vor Kitschtapeten mit Holzmuster. Die Schwarz-Weiß-Serie „Wooden Gardening“ ist erkennbar vom Bestreben bestimmt, neue, irritierende Zusammenhänge zwischen den Objekten und ihren Kulissen zu schaffen. In „Greenhouse“ entstehen in einem ansonsten leeren Raum aus den Einzelteilen eines Gewächshauses neue, fantastische Gebilde, die man fast als abstrakte Skulpturen bezeichnen kann. Und das Diptychon „Universe“ zeigt zwei schon leicht antiquierte, in blendendem Weiß freigestellte Digitalradiowecker nur mit Nullen und Einsen im Display, ein Spiel mit dem binären Code, der unsere moderne Welt beherrscht. Dass Pinkas offensichtlich auch über Humor verfügt, zeigen Bilder wie „Tival“: Frikadellen und Würstchen aufgereiht vor Ikea-Esche wie die Kandidaten einer Gegenüberstellung bei der Polizei. Und „Spirit Level“ ist vielleicht ein Seitenhieb auf das deutsche Gastland und seine angebliche Gründlichkeit. Es zeigt eine Wasserwaage, wobei das Instrument selbst ganz gerade ist, das Bild als Ganzes aber leicht schief hängt. Die Ausstellung Die Ausstellung mit Fotoarbeiten von Daniel T. Braun und Eyal Pinkas ist bis 29. Oktober in der Galerie Upart, Quellenstraße 32, in Neustadt zu sehen. Öffnungszeiten: mittwochs, donnerstags und sonntags 14–18 Uhr.

Eyal Pinkas zeigt in der Serie „Alternativer Frühling“ Gießkannen, die er zerschnitten, abfotografiert und dann wieder zusammeng
Eyal Pinkas zeigt in der Serie »Alternativer Frühling« Gießkannen, die er zerschnitten, abfotografiert und dann wieder zusammengesetzt hat.
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