Neustadt Einmal Frühstück im „Konfetti“

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Neustadt. Wenn ein CDU-Bürgermeister und -Kulturdezernent ein sehr spontanes und launiges Grußwort spricht bei einer Veranstaltung, bei der ein im Ursprung libertär-anarchistisch-ökologischer Sozial- und Kulturverein mit einem Preis ausgezeichnet wird, dann sagt das wohl mehr über die Veränderungen dieses Landes aus als viele soziologische Studien. Zu erleben war dies gestern im Casimirianum, wo der Kulturverein Wespennest den Kulturpreis 2015 des Neustadter Stadtverbands für Kultur überreicht bekam. Das Publikum erlebte aber nicht nur deshalb einen sehr heiteren Vormittag.

Für massive Lockerungen der Gesichtsmuskeln sorgte schon der Laudator Arnim Töpel, der mit viel Komik schilderte, wie es vor vielen Jahren zu seinem allerersten Auftritt bei den „Wespen“ (auf Kurpfälzisch: „Wefze“) gekommen war und vor allem, welche Erwartungen er damals im Herzen trug, als er mit seinem noch keineswegs voll ausgereiften Debüt-Programm „Sex ist keine Lösung“ am Neustadter Hauptbahnhof ankam. Das sei der Beginn einer Beziehung zwischen Veranstalter und Künstler gewesen, wie er sie nirgendwo sonst erlebt habe, sagte der Kabarettist, der nach eigenen Angaben seitdem nirgendwo so häufig gespielt hat wie beim Kulturverein Wespennest. Mit viel Humor schilderte er auch die unkonventionellen Verhältnisse, mit denen man als Künstler im „Konfetti“ konfrontiert werde - von der winzigen Bühne bis hin zum Umkleiden im Seminarraum, wo einem dann auch schon einmal ein Yoga-Kurs in die Quere kommen könne. Der Kabarettist, Musiker und Moderator übernahm an diesem Vormittag natürlich auch die musikalische Begleitung und trug unter anderem eine Version des Herbstsongs „Summer’s Almost Gone“ der „Doors“ in seinem heimischen Kurpfälzer Dialekt vor. Es war dann Kulturdezernent Ingo Röthlingshöfer, der in seinem Grußwort nach der Preisverleihung durch Hansjürgen Hoffmann (CDU), den Vorsitzenden des Stadtverbands für Kultur, mit einer provokanten Frage daran erinnerte, dass mit dieser Verleihung zwei ehemals kaum kompatible gesellschaftliche Formationen zueinander fanden: „Hätte sich der Verein gegründet, wenn er gewusst hätte, dass er 24 Jahre später den Neustadter Kulturpreis bekommt?“, scherzte der CDU-Politiker und rief ins Gedächtnis zurück, dass das „Wespennest“ auf das Establishment der Stadt damals schon „sehr suspekt“ gewirkt habe. „Das klang schon ein Stück weit nach Revolution“. Das aber ist längst Geschichte. Der „innovative, kreative und ab und an chaotische“ Verein, der nicht einmal seine Mitgliederzahl genau angeben könne – auf der Homepage stehe „etwa 14“ –, habe „großartige Impulse“ an die Stadt vermittelt und decke ein wichtiges Kulturspektrum ab, für das es keine anderen Anbieter in Neustadt gebe. Umso froher sei er, dass es trotz der zum Jahreswechsel anstehenden organisatorischen und personellen Veränderungen im Verein (wir berichteten mehrfach) weiter gehe, so Röthlingshöfer. „Wir machen weiter“, versprach denn auch Rolf Raule, Vorstandsmitglied des Kulturvereins, in seinem Schlusswort, in dem er auch mit einer witzigen Replik auf die Stichelei des Bürgermeisters antwortete: „Wer hätte vor 24 Jahren auch gedacht, dass Ingo Röthlingshöfer einmal Kulturdezernent sein würde?“ Als eine der neuen Locations, wo der Verein künftig Konzerte veranstalten werde, um das Stammlokal „Konfetti“ zu entlasten, nannte Raule dann erstmals das Roxy-Kino. Und in der Martin-Luther-Kirche plane man 2016 ein Konzert mit der Sängerin Etta Scollo. Auch sonst sei im nächsten Jahr, in dem der Verein sein 25-jähriges Bestehen feiert, einiges zu erwarten. Vielleicht bekommt ja sogar Arnim Töpel, der sonst nach seinen Auftritten immer spät in der Nacht nach Walldorf zurückfährt, seinen großen Wunsch erfüllt: einmal in Neustadt übernachten und am nächsten Morgen Frühstück im „Konfetti“. (hpö)

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