Neustadt Ja, Herrgott, des is’ doch menschlich!

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Neustadt. Das schwärzeste Loch im Universum? - Geinsheim! Die Well Brüder und Gerhard Polt nahmen auch ein paar lokale Eigenheiten aufs Korn. Im ausverkauften Saalbau zu Neustadt brachte die Mischung aus Musik und Kabarett die Besucher zum Jubeln. Widerspruch gab es aber, als die Brüder die Pfalz als ehemalige bayerische Kolonie bezeichneten.

Das Leben in der Provinz scheint sich zu gleichen. Ob es um Hausen, die Heimat der Well Brüder, oder um ein Dorf in der Pfalz geht - so groß sind die Unterschiede nicht. Man ist stolz auf die eigene Tradition, hat ein angespanntes Verhältnis zum Nachbardorf und findet in der eigenen Geschichte immer wieder Bedeutendes. Treuherzig erzählen die Brüder vom großen Fest zum 125-jährigen Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr und dass Georg Friedrich Händel mal durch Hausen durchgefahren ist. Das habe der Ortshistoriker zweifelsfrei festgestellt. Als der Komponist von Wien aus auf dem Weg nach London war, ging das gar nicht anders. Und so spielen die Brüder Händels „Feuerwehrmusik“, deren vier Sätze zufällig auch das festliche Treiben treffend beschreiben. Ganz besonders jubelten die Zuhörer, als die Musiker auch lokale Eigenheiten aufgriffen. Ewigkeit, so erkläre man hier den Kindern, sei die Zeit, welche die Baustelle in Hambach zum fertig werden brauche. Und Physiker haben das schwärzeste Loch im Universum hier gefunden. Und mehrstimmig besangen die Brüder den Bundestagsabgeordneten Norbert Schindler. Er sei „so herausragend, wie es herausragenderer nicht geht - wenn er zwischen zwei Gartenzwerg` steht.“ Die Brüder Stofferl, Karl und Michel Well spielten auf unzähligen Instrumenten, sangen und erzählten. Gerhard Polt wartete daneben auf seinen Einsatz. Er gab den Grantler, wie man es von ihm kennt und liebt - aber er schlüpfte auch in andere Rollen. Großartig war er als ein Landrat irgendwo in Bayern. Dieser arme Lokalpolitiker wird ja völlig verkannt. Da opfert er sich auf, schafft und ackert Tag und Nacht und zum Dank gibt es immer noch keine Schule, keine Krankenhaus, nicht mal eine Straße, die nach ihm benannt ist. Die missgünstige Presse bewirft ihn ständig mit Dreck - etwa indem sie behauptet, die 120.000 Euro für seine Geburtstagsfeier habe der Steuerzahler bezahlt. „Dabei waren das alle EU-Gelder!“, jammert Landrat Polt. Und diese kleinen Gefallen, die zwischen ihm und dem Sparkassendirektor, und höchstens noch in deren engsten Familienkreis hin und her gehen - ja Herrgott! das ist doch menschlich, mitmenschlich. Mit Fistelstimme mimte Polt eine junge unbedarfte Radio-Moderatorin, die ein bayerisches Original, nämlich einen Alkoholsportler, interviewt. Selbst im katholischen Bayern werden die Priester knapp, und so gibt es dort Importe aus dem Ausland, wie etwa einen aus Indien stammenden Pfarrer, den Polt mit starkem Akzent zum Besten gab. Ab hier wird auch klar, dass es im Programm nicht mehr durchgängig so beißend scharf politisch und sarkastisch zugeht, wie man es aus früheren Programmen kennt. Die Well Brüder verbinden auf unnachahmliche Art Heimatstolz und Selbstironie, Polt karikiert Typen, die zeitlos aktuell sind. Den schwärzesten Humor ließ Polt bei seinem ersten Monolog aufblitzen. Der Mensch, so stellt er fest, sei ein Zwischenwirt - für Religion und Fußpilz. Die Well Brüder schmuggeln „Alte Kameraden“ musikalisch ein, bevor sie „Schweinsbraten für Europa“ deklamieren. Es ist nicht ohne Witz, dass das Publikum den Militärmarsch begeistert mitklatscht. Vielleicht ist der gesellschaftskritische Witz ja nur subtiler geworden? Polt und die Well Brüder waren schon mehrmals auf Einladung des Kulturvereins Wespennest in Neustadt. Polt gelang der bundesweite Durchbruch mit seiner Reihe „Fast wia im richtigen Leben“, deren Ausstrahlung 1979 begann und die bis 1988 in unregelmäßigen Abständen zwölfmal Polt und seine Sketchpartnerin Gisela Schneeberger ins Fernsehen brachte. Typisch für Polt war die Ruhe und Selbstverständlichkeit, mit der seine Figuren ihre Engstirnigkeit, Intoleranz und Vorurteile lebten. Die Well Brüder sind die Nachfolger der Biermösl Blosn, mit denen Polt seit Jahrzehnten unterwegs war. Stofferl und Michel gehörten schon dazu, Karl ist nun anstelle von Hans dabei, der andere Pläne als der Rest der Band verfolgen wollte.

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