Neustadt Klanggewaltig

«Deidesheim». Klanggewaltig und farbenfroh geriet das Abschlusskonzert des „Deidesheimer Musikherbstes“ am Samstag in der Stadtpfarrkirche St. Ulrich. Im Mittelpunkt stand die „Hohensachsener Jakobuskantate“ von Leo Kraemer, die der Schöpfer selbst mit seinen Palatina-Klassik-Vokal- und Brassensembles zur Aufführung brachte. Mit hingebungsvollem Violinspiel begeisterte Robert Frank, die Orgelbegleitung übernahm „Musikherbst“-Leiterin Elke Voelker.

„Auf dem Jakobsweg“ lautet der Titel des Konzerts, aber wie bei allen Pilgerreisen sind Umwege stets Programm. So beginnt der Abend mit drei Sätzen aus der „Marienvesper“ von Monteverdi, die bereits Vorfreude auf das Kommende erzeugen. Zart kontrastierende Akzente setzt danach Bachs Suite für Solo-Violine, virtuos dargeboten von Robert Frank. Und auch nach diesem Stück heißt es weiter „Warten auf die Jakobskantate“. Zunächst erklingen noch drei Choräle aus Mendelssohn Oratorien „Paulus“ und „Elias“. Nach einer knappen Stunde erst gibt Kraemer dann den Einsatz zu seiner mit Spannung erwarteten Komposition, die im Juni in Hohensachsen bei Weinheim uraufgeführt worden ist. Kraemers „Jakobskantate“ ist ein expressives Werk, eingeleitet durch eine majestätische Ouvertüre mit Pauken und Bläsern, Klavier und Orgel. Eingebaut sind nachfolgend immer wieder Chorrufe „Jakobus, quo vadis“ wie auch Zwischenverse als Tenorrezitativ. Dissonanzen, enge Tonführung und ausdrucksvolle Intervallsprünge verdeutlichen die Qualen des Pilgerdaseins, lösen sich dann aber, sobald das Ziel vor Augen ist, in Harmonien auf. Das klangmalerische Epos lebt auch von seiner abwechslungsreichen Struktur, in die liedhafte Weisen ebenso eingebunden sind wie gregorianische Choräle. Zentraler Bestandteile sind Kyrie, Gloria, Sanctus mit dem Benedictus der „Missa de Angelis“, der zweiten Choralmesse im katholischen Gesangbuch „Gotteslob“. Der schlichte einstimmige Gemeindegesang, zu dem die rund 70 Besucher eingeladen sind, wird umrahmt von Einleitungen im solistischen Rezitativ nach kunstvoller instrumentaler Intonation, gefolgt von durchkomponierten Partien mit Chor und Instrumentalisten. Die Texte aller Ordinariumsteile, insbesondere das versreiche Gloria, sind ausdrucksvoll vertont. Farbliche Akzente setzen ebenso die Wechsel von Frauen- und Männerstimmen wie die Einschübe von Instrumentalteilen. Das klanggewaltige „Dei Patris Amen“ erinnert an dramatische Filmmusik. Kraemers Komposition reißt auch mit durch schwebenden Dissonanzen und ungewohnte Intervallsprünge, die sich in Sequenzen auf anderen Ausgangstönen wiederholen. Die Herausforderung meistern die Akteure mit Bravour, auch wenn Krämer gerade Sopran und Tenor in den Höhen das Letzte abverlangt, was angesichts der hallenden Akustik des Kirchenraumes mitunter an die Schmerzgrenze des Zuhörers geht. Dem Charakter einer Messe entspricht, dass die Gemeinde aktiv eingebunden ist. So ist das Publikum nicht nur bei den Messordinarien zum Mitsingen eingeladen, sondern auch bei „In Gottes Namen fahren wir“ und „Befiehl du deine Wege“. Verbindendes Element ist auch der Sprecherpart: Die Erzählerin geleitet in kurzen Sequenzen mit mittelhochdeutschen Texten durch „das welsche Land ohne deutsche Priester“, schildert das Überwinden der Bergkämme, berichtet vom Hispanialand, in dem die Pilger mit Wein und Brot belohnt werden. Abschließender Höhepunkt der Kantate ist das Stück „Die Himmelsleiter“ nach einem Gedicht des Romantikers Joseph von Eichendorff im gelungenen Zusammenspiel aller Akteure. Nach anhaltendem Applaus hört das Publikum zum Abschluss des fast zweistündigen Konzertes die zweite Strophe als Zugabe, und noch einmal begeistert auch der fulminante Einsatz der Pauken.

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