Neustadt Lieber Musik als Physik

91-88726058.jpg

Neustadt. Im September und Oktober ist die Neustadter Cellistin Diemut Schoepflin, die unter dem Künstlernamen Renata Soraya auftritt, gleich bei zwei außergewöhnlichen Konzerten in ihrer Heimatstadt live zu erleben: zusammen mit der Schauspielerin Ela Sommer in der Alten Winzinger Kirche und bei einem „Werkstattauftritt“ in einer Schreinerei. Die gebürtige Karlsruherin, die seit 1991 als Musikpädagogin in der Pfalz lebt, ist eine der wenigen Linkshänderinnen auf ihrem Instrument.

Bis die heute 53-Jährige entdeckte, dass ihr die Dinge mit links besser von der Hand gehen, dauerte es allerdings ein Weilchen. Den Anstoß gab einer ihrer Musikschüler, ein damals fünfjähriger, sehr begabter Junge, der erhebliche Schwierigkeiten damit hatte, den Cellobogen wie üblich mit der rechten Hand zu führen. Schoepflin befasste sich eingehend mit dem Problem und kam schließlich zu dem Schluss, dass der Knabe, was bis dahin noch niemand bemerkt hatte, eigentlich Linkshänder war – ein Umstand, der öfter vorkomme, als man allgemein vermute, so die Musikerin. Sie spannte also die Cellosaiten um und ließ den Kleinen so spielen, wie es für ihn einfacher war. Um ihm dabei behilflich zu sein, versuchte sie das Gleiche mit ihrem eigenen Instrument. „Es traf mich wie ein Blitz“, sagt sie heute. „Als ich versuchte, mit der linken Hand zu spielen, spürte ich auf einmal eine unheimliche Energie, die in mich fuhr, von den Fingerspitzen bis hoch in die Schulter. Da erst merkte ich, dass auch ich in Wirklichkeit eine Linkshänderin bin.“ Es sei eine furchtbare Tortur gewesen, sich das Spielen nun noch einmal spiegelverkehrt komplett neu beizubringen, sagt die Musikern, aber es habe sich gelohnt. „Heute spiele ich mit der linken Hand wieder so gut, wie früher mit der rechten, fühle mich aber bedeutend besser damit.“ Auch der Weg zur Musik insgesamt war für Schoepflin-Soraya kein geradliniger. Zwar stammt sie aus einer sehr musikalischen Familie, aber die Eltern – beides Physiker – legten Wert darauf, dass die Tochter einen „ordentlichen“ Beruf erlerne. „Fast alle meine Vorfahren waren musikalisch aktiv, haben aber ihre Passion nie zum Beruf gemacht“, erzählt sie. So spielte auch sie eine Zeit lang mit dem Gedanken, wie die Eltern Physik zu studieren, begann dann aber mit einem Lehramtsstudium in Freiburg. Die Liebe zur Musik freilich ließ die junge Frau nicht los. Das Instrument ihrer Wahl hatte sie dabei schon als Teenager gefunden: Als sie 13 Jahre alt war, habe sie mit ihren Eltern und Geschwistern ein Konzert des „Suzuki Kinderorchesters“ besucht und war begeistert. Um ihren Entschluss, alles bisherige an den Nagel zu hängen und das Cello-Spiel zu ihrem Broterwerb zu machen, in die Tat umzusetzen, ging Schoepflin schließlich 1986 in die USA, nach Washington D. C., um dort den renommierten Cellisten Miron Yampolsky, der einst selber Schüler bei dem großen Mstislav Rostropowitsch war, zu treffen. Der leitete sie nach erfolgreichem Vorspiel mit einer Empfehlung direkt an die „American University“ in der amerikanischen Hauptstadt weiter, wo sie nicht nur aufgenommen wurde, sondern sogar ein Stipendium erhielt. 1990 kehrte sie als ausgebildete Musikerin mit dem „Master of Art“ in der Tasche nach Deutschland heim. In den Staaten hatte sie inzwischen geheiratet. Ihr Mann, von dem sie mittlerweile getrennt lebt, war Musiker bei der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. So kam sie 1991 nach Neustadt. In dem Neustadter Cellisten Holger Becht, dem damaligen Stiftskantor Ulrich Loschky und dem „Mandelring Quartett“-Primarius Sebastian Schmidt fand die Cellistin bald gute Freunde und Förderer. Sie belegte Meisterkurse unter anderem bei Prof. Gerhard Mantel in Frankfurt und Prof. Markus Nyikos in Berlin und absolvierte zahlreiche öffentliche Auftritte in der Region sowohl als Solistin wie auch als Teil von Kammermusik-Ensembles und Orchestern. Außerdem nahm sie ihre bis in die Gegenwart andauernde Tätigkeit als private Musiklehrerin auf. Bis zu dessen Tod 2010 konnte man Renata Soraya auch oft im Duo mit dem ehemaligen Landeskirchenmusikdirektor und Pianisten Heinz Markus Göttsche auf Bühnen erleben. Und im Mai unternahm sie sogar einen Ausflug in die Welt des Jazz, als sie zusammen mit anderen handverlesenen Streichern beim Crossover-Konzert der „Blue Note Big Band“ im Saalbau mitwirkte. „Weitere Ausflüge weg vom Bereich der Klassik sind zwar nicht geplant, nachdem mir die Sache mit den Jazzern aber viel Spaß bereitet hat, soll man niemals nie sagen“, lacht die 53-Jährige. Mittlerweile ist sie zudem auch noch als Lehrerin an der Montessori-Schule in Bad Dürkheim engagiert. Termine Renata Soraya tritt am Samstag, 24. September, 20 Uhr, zusammen mit der Schauspielerin Ela Sommer mit Collagen aus Musik und Texten in der Alten Winzinger Kirche (Eintritt frei) und am Samstag, 29. Oktober, 19 Uhr ebenfalls mit einem literarisch-musikalischen Programm in der Schreinerei Thomas Grund, Gerichtstraße 14, in Neustadt auf (Karten unter 06321/35007). Kontakt und weitere Infos unter www.celloton.de.

x