Neustadt Mal frech, mal sentimental und nie platt

St. Martin. Das Pfälzer Trio Reinig, Braun und Böhm hat am Freitagabend im Gewölbekeller des Hotels „Winzerhof“ in St. Martin gezeigt, dass es eine Pfälzer Folklore gibt, die anders ist als Schunkellieder auf Weinfesten, als „Wir sind die Tramps vun de Palz“ und „Ja so en guude Palzwoi“.

Nicht, dass es bei Reinig, Braun und Böhm nicht auch mal um Wein und Weinfeste ginge, aber eben nicht nur, und wenn, dann anders. Grundstock des Repertoires sind zum einen echte Volkslieder und Tänze aus der Pfalz und der französischen Nachbarschaft – so genau lässt sich das kulturgeschichtlich gar nicht trennen, zumal die einen auch mal unter deutscher und die andern mal unter französischer Herrschaft standen. Das freche Liedchen vom „Hans im Schnokeloch“ gehört zu diesen elsässisch-pfälzischen Schätzen, und der „Schnawwlhälsler“, ein Tanz. Auch die bayerische Zeit der Pfalz hat ihre Spuren in der Folklore hinterlassen, es sind etwa Tänze eingewandert wie der „Zwiefache“, den Reinig, Braun und Böhm spielten, und der deshalb so heißt, weil er eigentlich zwei Tänze in zwei verschiedenen Takt-Arten miteinander kombiniert. Dreher und Walzer, ziemlich lebhaft und sicher nur etwas für geschickte und geübte Tänzer. Pfälzer oder pfälzisch beeinflusste Folklore gibt es aber nicht nur in der Pfalz: Jahrhunderte lang sind die Pfälzer ausgewandert, vor allem nach Amerika, haben nicht nur Fleiß und landwirtschaftliches Wissen mitgebracht, sondern auch ihren Dialekt, der sich mit reizvollen Einsprengseln gemischt mit anderen südwestdeutschen Dialekten als „Pennsylvania Dutch“ erhalten hat. „Die Alt Bauerei“ war ein Volkslied – oder eher ein Country-Song? – in diesem Dialekt, das Lied erzählt ein wenig sentimental (welcher Country-Song ist das nicht) von der guten alten, ländlichen Zeit, wo alles noch seine Ordnung hatte. Wo die Mamme auf der „Plauderjacht“ war mit den Nachbarinnen. Das Lied hat die Gruppe von einem amerikanischen Folksänger aus Berlin, Ohio, übernommen. Es gab auch eine Gruppe Pfälzer Auswanderer, die auf dem Weg in die USA in der Nähe von Limerick in Irland hängenblieb, angeworben als Farmer von der britischen Regierung. „The Palatine′s daughter“, ein irisches Volkslied mit Gitarre und Tinwhistle, erzählt eine Liebesgeschichte vor diesem Hintergrund. Als kleine Verbeugung vor St. Martin brachten Reinig, Braun und Böhm auch ein Volkslied aus der St. Martiner Ortschronik von Cäcilie Ziegler auf die Bühne: Auf der Höh, da wächst der Klee. Der zweite Schwerpunkt des Trios ist die Vertonung von Gedichten in Pfälzer Mundart, etwa von Thomas Sattel, Gisela Gall, Michael Bauer („De klääne Pälzer“). Auch das ist meilenweit von der „gemütlichen“ Wein-Weib-Gesang-Lyrik entfernt, auch dann, wenn viel Humor drinsteckt. Es sind Stimmungsbilder, etwa „S′Friehjohr“ von Thomas Sattel, ein Herbstgedicht von Gisela Gall oder der „Hotteträger“ von Wilfried Berger, eher rezitiert als gesungen mit sparsamer Instrumentierung. Auch eine Pfälzer Version der Fabel La Fontaines „Der Rabe und der Fuchs“ stammt von Berger. Sehr witzig auch der „Lehmklumpe-Blues“ von Michael Bauer – jeder, der sich schon einmal im feuchten Herbst zwischen Traktoren mit Anhängern voller Zuckerrüben auf der Straße bewegt hat, weiß, um was es geht. Paul Reinig aus Hinterweidenthal, Peter Braun aus Ludwigshafen und Rüdiger Böhm aus Landau spielen schon seit Jahrzehnten zusammen. Reinig singt und spielt Gitarre und Akkordeon, Braun (ebenfalls Gesang und Gitarre) moderiert außerdem, Böhm spielt Klavier und Flöte – er hat eine ganze Sammlung davon, auch ein mittelalterliches Krummhorn, das bei dem Lied von Hans Trapp zum Einsatz kommt. Das Trio hat seine Wurzeln in den Folkgruppen „Grashalm“ und „Siebenpfeiffer“ und in der irischen Folklore und Mittelaltermusik.

x