Neustadt „Ohne ein Auto kommt man nicht weiter“

Nach dem Abitur im Jahr 2012 am Leibniz-Gymnasium war der Iggelbacher Marcel Steigert vier Monate in Australien. Sein nächstes Ziel waren die USA. Über das Parlamentarische Patenschaftsprogramm des Bundestags und des amerikanischen Kongresses hat er ein Jahr in Florida verbracht und „ganz viele neue Erfahrungen gemacht“.

Nach dem Abitur und vier Monaten mit dem Programm „Work and travel“ (Arbeiten und Reisen) in Australien absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Bereits seit seiner Schulzeit hatte sich der junge Iggelbacher für Aktien interessiert. Aber er hatte weitere Reisepläne. „Die USA waren mein nächstes Ziel“, erzählt der inzwischen 24-Jährige. An seinem Ausbildungsplatz blätterte er zufällig in einer Broschüre der Industrie- und Handelskammer mit Informationen über das Parlamentarische Patenschaftsprogramm und entschied: „Ich probiere das.“ Marcel Steigert hatte seinerzeit keine Kontakte zu Norbert Schindler, dem damals einzigen Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises. So war seine einzige Chance, in dem anspruchsvollen Bewerbungsverfahren gut abzuschneiden. Erst musste er ein 20 Seiten dickes Bewerbungsschreiben verfassen und zahlreiche Fragen beantworten. Im Herbst 2014 wurde er zu einer Tagung eingeladen. Hier galt es, weitere Tests, etwa über amerikanische Geschichte und Politik, zu absolvieren und in Einzelgesprächen zu überzeugen. Im Januar 2015 bekam er einen Brief, dass er ein Jahr in die USA darf. Unterschrieben war der Brief von Schindler. Den hat Marcel Steigert danach nur einmal kurz bei einer Veranstaltung in Speyer kennengelernt. Erst ungefähr zwei Wochen vor seinem Abflug erfuhr er, dass er die nächsten Monate in Tallahassee, der Hauptstadt von Florida, bei einer Familie leben würde. „Mit meiner Gastfamilie habe ich viel Glück gehabt“, erzählt Steigert. Es war ein Ehepaar um die 50 Jahre, das keine Kinder hat, beide arbeiten am College. Die Frau ist eine Deutsche, die vor 25 Jahre in die USA ausgewandert ist. Und in der Familie wurde gekocht. Das lernte Steigert bald zu schätzen. Denn in den meisten Familien gebe es nur Fertiggerichte zu essen, sagt er. Die ersten Einkäufe von Lebensmitteln waren für den Sohn einer Gastwirtsfamilie ein ziemlicher Schock. „Alles, was einigermaßen gesund ist, ist furchtbar teuer. So kosten zwei Liter Orangensaft etwa acht Dollar, zwei Liter Cola aber nur einen Dollar“, berichtet er. Das sei aber die einzige negative Erfahrung, die er in den USA gemacht habe. „Ich habe in den USA echt ein ganz neues Leben angefangen und neue Erfahrungen gesammelt“, betont Steigert. Die ersten sechs Monate seines Aufenthalts hat er an einem College ein Studiensemester zu Wirtschaft und Finanzen belegt. „Es hat mit der Sprache gut geklappt“, freut sich Steigert. Etwa 15.000 Studenten seien an dem College. Über die an amerikanischen Colleges übliche Gemeinschaft habe er gleich Kontakte gefunden. Die Amerikaner seien zwar sehr offen, doch sein Freundeskreis am College habe überwiegend aus Südamerikanern bestanden. Nebenbei habe er so etwas Spanisch gelernt. Das Austauschprogramm sieht vor, dass die Teilnehmer im zweiten Halbjahr ihres Aufenthalts arbeiten. „Dafür muss man sich selbst bewerben“, berichtet Steigert. Er wollte gern bei einer Bank arbeiten, doch es sei schwierig gewesen, eine Stelle für nur sechs Monate zu bekommen. Bei der Prime Meridian Bank, einer kleinen, noch recht jungen Bank, wurde er schließlich genommen und stellte schnell fest, dass sich Ausbildung und Arbeitsweise amerikanischer Banken sehr deutlich von der deutscher Banken unterscheidet. „Es gibt keine Ausbildung. Wer nach der Universität zu einer Bank geht, wird in einem Gebiet, beispielsweise am Schalter, angelernt und arbeitet dann nur in diesem Bereich“, sagt Steigert. Dass er in verschiedenen Abteilungen der Bank habe arbeiten können, sei eine Ausnahme gewesen. Unter anderem war er als Assistent in der Kreditabteilung mit Firmenkunden beschäftigt. Steigert: „Da habe ich gelernt, amerikanische Firmenbilanzen auszuwerten. Das hat mit Spaß gemacht.“ Der Kontakt unter den Kollegen sei enger gewesen, als er das aus Deutschland gekannt habe. „Ich bin sofort von Kollegen eingeladen worden, etwa in deren Familien. Oder sie haben mich zu Konzerten mitgenommen“, erzählt Steigert. Er sei oft gefragt worden, wo er herkomme. „Wenn die Leute gehört haben, dass ich aus Deutschland bin, waren die Reaktionen sehr positiv. Einmal wurde ich zum Essen eingeladen, ein anderes Mal hat mir jemand eine Karte für ein Fußballspiel geschenkt“, berichtet der Iggelbacher. Marcel Steigert hat auch gelernt, dass einige Klischees über Amerika durchaus stimmen. „Es gibt dort auf der einen Seite Business-Menschen und auf der anderen Seite sehr viele arme Menschen. Ich hätte nie gedacht, dass es so extrem ist“, nennt er ein Beispiel. Auch sei die Rassentrennung zwischen Schwarzen und Weißen „ziemlich ausgeprägt“. „Und ohne ein Auto kommt man nicht weiter“, weiß Steigert. Zu Beginn des neuen Semesters beginnt der Iggelbacher ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. In die USA will er auf alle Fälle wieder. |ann

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