Neustadt Seit Oktober dienstunfähig

Körperliche Auseinandersetzungen gehören immer öfter zum Polizeialltag.
Körperliche Auseinandersetzungen gehören immer öfter zum Polizeialltag.

Polizisten müssen im Alltag Beleidigungen und Gewalt erfahren. 2018 sind in der Vorder- und Südpfalz 250 Delikte gegen Beamte registriert worden. Die Feuerwehr berichtet vor allem von Problemen mit Gaffern, die Einsätze behindern.

Eins der spektakulärsten Beispiele für Gewalt gegen Polizeibeamte in Neustadt ereignet sich im Oktober 2018. In einer Nacht auf Sonntag wird die Polizei gegen 1.30 Uhr in eine Gaststätte in der Gutenbergstraße gerufen. Eine Frau und ein Mann erklären, in der Kneipe geschlagen worden zu sein. Als die Beamten den mutmaßlichen Täter ansprechen, werden sie von rund 20 Personen bedroht und aufgefordert, zu verschwinden. Ein 33-jähriger Neustadter nimmt einen Beamten in den Schwitzkasten und schlägt ihm mit der Faust ins Gesicht. Ein 34-jähriger Mann tritt dem Beamten mehrmals in den Rücken. Nur durch den Einsatz von Pfefferspray, Schlagstöcken und herbeigerufener Verstärkung kann die Situation beruhigt werden. Der 31-jährige Polizist verletzt sich so schwer an der Schulter, dass er operiert werden muss und bis heute nicht dienstfähig ist.

Angreifer kommen oft ungestraft davon

Der Neustadter Polizeisprecher Stefan Molter spricht von einer deutlich gesunkenen Hemmschwelle bei der Bevölkerung. Beleidigungen kämen immer häufiger vor. Kollegen würden aber auch angespuckt und tätlich angegriffen. Dass Gerichte die Beschuldigten teilweise wegen Alkoholkonsums als schuldunfähig einstuften, trage nicht dazu bei, die Stimmung unter den Beamten zu verbessern. „Meine Prellungen sind verheilt, das Haar ist nachgewachsen. Doch der Frust, dass der Angreifer straflos davonkam, sitzt noch immer tief“, berichtet eine 29-jährige Beamtin, der bei einem Einsatz wegen nächtlicher Ruhestörung in Ludwigshafen Haarbüschel vom Kopf gerissen wurden.

Einsatz- und Rettungskräfte betroffen

Heute stellt Innenminister Roger Lewentz die Kampagne „#Immerda“ vor, mit der die Bevölkerung sensibilisiert werden soll. „Immer wieder kommt es auch zu Attacken auf Einsatz- und Rettungskräfte, selbst bei der Aufnahme eines Verkehrsunfalles oder Löscharbeiten“, heißt es dazu aus dem Ministerium. Stadt-Feuerwehrinspekteur Stefan Klein berichtet von zunehmenden Behinderungen bei Einsätzen. und prangert vor allem Gaffer an: „Wir haben kürzlich eine Person aus einem Auto geborgen, das auf dem Dach lag, und sind dabei von einem Verkehrsteilnehmer, der extra angehalten hat, fotografiert worden.“ Erst als die Polizei den Fotografen stellen wollte, habe er sich davon gemacht.

Am schnellen Einsatz gehindert

Ein Vorfall aus Haardt beschäftigt die Ermittlungsbehörden. Nach Angaben von Klein sei ein Mitglied der Feuerwehr für einen Einsatz auf dem Weg zur Feuerwache gewesen. „Nach übereinstimmenden Zeugenberichten nicht schneller als die erlaubten 30 Kilometer in der Stunde“, so Klein. Trotzdem habe ihm ein Passant vorgeworfen, zu schnell unterwegs zu sein, und habe ihm an das Auto getreten, so dass eine Beule entstanden sei. „Der Kollege wollte erst nichts unternehmen. Wir haben dann aber gesagt, da muss unbedingt eine Strafanzeige gestellt werden“, berichtet der Feuerwehr-Chef. Das Verfahren laufe noch. Auch Einsätze auf der Autobahn sind laut Klein oft schwierig: „Da wird keine Rettungsgasse gebildet, und wenn wir dringend durch wollen, sind aggressive Gesten und verbale Ausraster schon fast normal.“ Tassilo Willrich, Vorsitzender des DRK-Stadtverbandes, weiß von Übergriffen auf hauptamtliche Rettungskräfte nur vom Hörensagen. Im ehrenamtlichen Bereich sei Neustadt noch zivilisiert. Doch auch er glaubt, „dass es beim Mandelblütenfest am Wochenende wieder Besucher geben wird, die verbotene Wege und Einfahrten benutzen und auch nicht davon absehen, wenn wir sie darauf hinweisen“.

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