Neustadt Weit weg von Neil

Ad Vanderveen, der „Neil Young aus den Niederlanden“, kam bei seinem Neustadt-Gastspiel diesmal ganz ohne Neil Young aus.
Ad Vanderveen, der »Neil Young aus den Niederlanden«, kam bei seinem Neustadt-Gastspiel diesmal ganz ohne Neil Young aus.

«Neustadt». Strahlende Gesichter zeigten am Samstag die Mitglieder des Kulturvereins Wespennest. Nachdem es in der jüngeren Vergangenheit Probleme mit Livekonzerten am traditionellen Hauptveranstaltungsort, dem Wirtshaus „Konfetti“, gegeben hatte, scheinen nun durch eine gesicherte Zusammenarbeit mit den neuen Pächtern alle Schwierigkeiten aus dem Weg geschafft zu sein. Das erste Konzert unter der Obhut der Kooperationspartner verlief jedenfalls sehr gut, und auch den Kommentaren des Publikums ließ sich entnehmen, dass sich das positive Gefühl von früher wieder eingestellt hat.

Das „Premierenkonzert“ bestritt der schon mehrfach hier aufgetretene „Neil Young aus den Niederlanden“, Ad Vanderveen mit seinem Trio, zu dem außer ihm noch seine Lebensgefährtin, die Sängerin Kersten de Ligny, und der Bassist Timo van Heerdt zählen. Vanderveen hat während seiner Karriere bereits 30 Alben veröffentlicht, sein Programm in Neustadt setzte sich aber hauptsächlich aus Stücken seiner letzten zwei Veröffentlichungen „Denver Nevada“ und „I Was Hank Williams“ zusammen. Erstaunlicherweise hat sich der Sänger und Gitarrist darauf musikalisch meilenweit von seinem Vorbild, Neil Young, entfernt (im Gegensatz zu früheren Auftritten hatte er diesmal nicht einen Young-Song auf seiner Spielliste) und seine jetzt viel eigenständigere Musik mehr in Richtung Westcoast-Folk gelenkt. Maßgeblich beteiligt an diesem Wechsel ist nicht zuletzt Kersten de Ligny, die mit ihrer klaren Stimme den Gesang Vanderveens äußerst harmonisch ergänzt und damit ein wichtiges Westcoast-Merkmal beisteuert. Doch bevor sie und van Heerdt die Bühne betraten, eröffnete der Bandleader das Konzert mit der Nummer „Castles“ zunächst noch alleine. Nur zu seiner eigenen Gitarrenbegleitung sang er das verträumte Lied und stimmte damit auf das Kommende ein, das unerwarteterweise so gar nichts mit dem Garagenrock zu tun hatte, den er sonst mit seiner Stammband, den „O´Neils“, aus den Lautsprechern jagt. Dieser Abend im „Konfetti“ war ganz und gar der kanadisch-amerikanischen Singer/Songwriter-Tradition gewidmet, zwang zum konzentrierten Zuhören und zauberte, wenigstens in der ersten Konzerthälfte, eine düster-melancholische Stimmung ins Wirtshaus, die aber keineswegs negativ zu werten war, sondern unter den Zuhörern eher schaurig-schöne Gänsehautstimmung hervorrief. Bezeichnenderweise trug der erste Song, den das Trio zusammen spielte, den Titel „Big Old Lonely Feeling“. Jedes von Vanderveen geschriebene Lied trägt eine Geschichte in sich, manches davon sogar eine sehr persönliche. Der 62-Jährige ist je zur Hälfte Niederländer und Kanadier, hat zu beiden Seiten seiner Familie einen guten Draht, wie er erzählt, möchte aber, obwohl er oft in Übersee zu Besuch ist, lieber in der Alten Welt wohnen bleiben. Wie seine kanadischen Verwandten über ihre holländischen Angehörigen denken, hat er in einem Song verarbeitet. Er heißt: „Wooden Shoes, Wooden Heart, Wouldn’t Listen“. Bei diesem Stück sang de Ligny nicht nur die Oberstimme, sondern spielte auch auf einer sogenannten Autoharp, einer Kastenzither, die in den USA in der Folk- und Countrymusik früher oft Verwendung fand. Vanderveen selber brachte neben seiner Gitarre auch Harp, Stompbox und Ukulele zum Einsatz, während van Heerdt mehrfach seine E-Bassgitarre gegen einen elektrischen Kontrabass tauschte. Er hielt sich meist diskret im Hintergrund und lieferte eine unspektakuläre, aber solide Leistung ab. Obwohl Vanderveens aktuelle Langspielplatte den Titel „I Was Hank Williams“ trägt, ist darauf nicht ein Stück dieses großen Countrymusikers zu finden. Stattdessen bietet die Scheibe unter anderem den „Song From A Wise Man’s Cave“, der Vanderveen bei einem Besuch der Höhle des Philosophen und Mathematikers Pythagoras in Griechenland eingefallen ist, und den er im „Konfetti“ mit Ukulelenbegleitung vortrug. Den Ort „Denver Nevada“, der seiner vorherigen Scheibe ihren Namen gab, gibt es in Wirklichkeit nicht. Der Titel ist ein Anagramm von Ad Vanderveen. Der Ort „Lederhose“ existiert dagegen sehr wohl. Vanderveen ist dort einmal zufällig hingeraten, nachdem er sich auf dem Weg zu einem Konzert komplett verfahren hatte. Anstatt sich über die Sache zu ärgern, machte der Vollblutmusiker aber einen Country- und Westerntitel daraus. Mit diesem fröhlichen Stück eröffneten er und seine Mitstreiter nun einen Reigen verschiedener Uptempo-Nummern und ließen die Stimmung damit gegen Schluss ihrer Vorstellung ein wenig ausgelassener werden. Erst mit der letzten Zugabe, dem von Vanderveen und de Ligny im Duett dargebotenen Liebeslied „If I Needed You“, dem einzigen Coversong des Abends, im Original von Emmylou Harris und Don Williams, wurde es wieder gemächlicher.

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