Neustadt Wenn der Kollege durchhängt: Seelische Ersthelfer bei der SGD Süd

Wer die Ausbildung zum MHFA Ersthelfer durchlaufen hat, bekommt einen solchen Anstecker als Erkennungszeichen.
Wer die Ausbildung zum MHFA Ersthelfer durchlaufen hat, bekommt einen solchen Anstecker als Erkennungszeichen.

Immer häufiger fallen Arbeitnehmer wegen psychischer Leiden aus. Bei der SGD Süd werden „seelische Ersthelfer“ aktiv, wenn es einem Mitarbeiter nicht gut zu gehen scheint.

Gewerbeaufsicht, Wasser- und Abfallwirtschaft, Bodenschutz, Raumordnung, Naturschutz sowie Bauwesen: Die Struktur- und Genehmigungsbehörde (SGD) Süd mit Hauptsitz in Neustadt hat eine breite Palette an Aufgaben. Doch auch die seelische Gesundheit der Mitarbeiter beschäftigt die Obere Landesbehörde zunehmend. 39 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Standorten Neustadt, Mainz, Kaiserslautern und Speyer haben sich seit 2021 zum „seelischen Ersthelfer“ ausbilden lassen.

Das „Mental Health First Aid“-Programm (MHFA) wurde 2000 in Australien entwickelt. In Deutschland wächst das MHFA-Netzwerk unter Trägerschaft des Mannheimer Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Kooperation mit der Beisheim Stiftung. Die zwölfstündige MHFA-Schulung soll Laien dazu befähigen, jemanden anzusprechen, wenn der Eindruck besteht, der Person geht es nicht gut. Auch Silke Bomke, für das Betriebliche Gesundheitsmanagement bei der SGD Süd verantwortlich, hat mitgemacht: „Psychologie hat mich schon immer interessiert.“

Techniken vielseitig einsetzbar

Die vier Großgruppen der psychischen Erkrankungen – depressive Erkrankungen, Angststörungen, Abhängigkeiten und Psychosen – seien ihr vorher „oberflächlich bekannt“ gewesen, im Kurs werde das Wissen vertieft und in Rollenspielen geübt. „Das war sehr aufschlussreich“, erinnert sich Bomke. Die Weiterbildung habe ihr einen anderen Blick auf mentale Probleme gegeben, was ihr auch privat von Nutzen sei. Und auch im Berufsalltag hätten die „seelischen Ersthelfer“ bereits Erfolge verzeichnen können, sagt Bomke. Mittlerweile seien speziell Führungskräfte geschult worden. „Die Gesprächstechniken sind über seelische Gesundheit hinaus hilfreich, etwa in Mitarbeitergesprächen.“

Das Vorgehen ist unter dem englischen Akronym ALGEE zusammengefasst. Im ersten Schritt sollen die Ersthelfer Krisen erkennen und eine Gesprächssituation schaffen, im zweiten dem Betroffenen zuhören, ohne ihn zu verurteilen. „Am Anfang lade ich den Kollegen, um den ich mich sorge, erst mal auf einen Kaffee oder ein Mittagessen ein und frage, wie es ihm geht“, erklärt Bomke, „oft braucht es mehr als ein Gespräch, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Das passiert am Rande der Arbeit, auf Augenhöhe und unter dem Siegel der Verschwiegenheit.“

Ermutigen, sich Hilfe zu holen

In den drei folgenden Schritten geht es um eine angemessene Reaktion, also darum, die passenden Informationen weiterzugeben, da zu sein und die Person zu ermutigen, sich professionelle Hilfe oder auch betriebliche Unterstützung zu holen, falls die Krise nicht abflacht, sowie das persönliche Hilfsnetzwerk auszuschöpfen. Und wenn das niedrigschwellige Hilfsangebot abgelehnt wird? „Das muss man im ersten Moment akzeptieren“, weiß Bomke, „ich mache dann deutlich, dass die Person jederzeit zu mir kommen kann, wenn sie Gesprächs- oder Hilfebedarf hat, oder vermittle den Kontakt zu einer anderen Vertrauensperson.“

Zweimal jährlich tauschen sich die „seelischen Ersthelfer“ aus den verschiedenen SGD-Standorten über ihre Erfahrungen aus. „Wir stehen erst am Anfang und wachsen in diese neue Rolle hinein“, sagt Bomke, der die Nachhaltigkeit des Hilfsangebots besonders wichtig ist. Schon jetzt bemerke sie, dass sich die Kommunikation über seelische Gesundheit und die diesbezügliche Betriebskultur verändere. „Wenn wir solche Probleme früh erkennen und früh handeln, können wir die Abwärtsspirale frühzeitig stoppen“, sagt Bomke, die über Aktionstage und interne Kommunikation weiter für seelische Gesundheit werben will.

Info

MHFA Ersthelfer-Kurs am Donnerstag und Freitag, 14. und 15. November, jeweils 9 bis 12 und 13 bis 16 Uhr (mit Mittagspause), im Casimirianum. Kosten pro Person: 229 Euro. Anmeldung erforderlich über ZI Mannheim unter www.mhfa-ersthelfer.de/de/ersthelfer/kurs.

Ein Interview mit einer MHFA-Ersthelfer-Kursleiterin lesen Sie hier: „Wir wollen den Leuten Mut machen“

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