Neustadt „Wir sind ehrlich zueinander“: Wie die Feuerwehr mit Unglücken umgeht

5f9c98005b5a8327.JPG
Der Dachstuhl, in dem die fünf Menschen erstickten.

Unglücke, wie der Dachstuhlbrand am Freitag vor einer Woche in Lambrecht mit fünf Toten, belasten auch die Einsatzkräfte. Stadtfeuerwehrinspekteur Stefan Klein spricht über Einsätze, bei denen Menschen ihr Leben ließen und was hilft, darüber hinwegzukommen.

Herr Klein, wird Ihnen nach schweren Einsätzen psychologische Betreuung angeboten?

Ja, psychologische Hilfe gibt es, wenn man sie will und braucht. Aber meistens lösen wir Probleme selbst innerhalb der Mannschaft. Wie das? Die Kameradschaft ist hier ein ganz wichtiger Faktor. Jeder hat seine Bezugsperson innerhalb der Mannschaft, zu der man am meisten Vertrauen hat. Untereinander wird dann viel miteinander geredet und sich ausgetauscht. Oft hilft das schon sehr, um das Erlebte zu verarbeiten. Und die Probleme der Kollegen werden immer ernst genommen? Absolut. Keiner wird als Weichei beschimpft, wenn er reden will. Das wäre ja tödlich für die Kameradschaft. Wie können Sie sich sicher sein, dass jeder, der Probleme hat, darüber redet? Sicher kann ich mir natürlich nicht sein. Aber man kennt seine Leute, und nach schweren Einsätzen achten alle ganz besonders aufeinander. Wenn jemandem etwas auffällt, wendet er sich an mich oder eine andere Bezugsperson und gemeinsam finden wir eine Lösung. Was ist, wenn das Reden untereinander nicht ausreicht? Dann hole ich in der Regel Rat von unserem leitenden Notarzt, mit dem wir in tollem Kontakt stehen. Wenn er der Meinung ist, ein Kollege brauche professionelle Hilfe, melden wir uns bei den sogenannten Krisen-Interventions-Teams (KIT). Auch die Leute vom KIT haben Meldeempfänger und können bei Bedarf sehr schnell vor Ort sein. Wann braucht jemand ihrer Meinung nach professionelle Hilfe? Als Faustregel gilt: wenn einem die Bilder länger als vier Wochen im Kopf bleiben. Aber so pauschal lässt sich das natürlich nicht sagen. Jeder geht anders damit um. Vielen hilft es darüber zu reden, andere drücken nach einem Einsatz irgendeinen blöden Spruch. Das ist dann purer Selbstschutz. Was können Sie tun, wenn Sie wissen, dass Kollegen nicht gut mit schweren Einsätzen umgehen? Ich lasse sie eher im Hintergrund arbeiten. Es muss ja nicht jeder ganz vorne mit dabei sein. Außerdem frage ich meine Kollegen: Geht das? Kannst du das machen? Zum Beispiel, wenn es um den Umgang mit Leichen geht. Und dann können Sie eine ehrliche Antwort von Ihren Kollegen erwarten? Selbstverständlich. Wir sind ehrlich zueinander. Machen Sie sich denn teilweise auf der Fahrt zu einem Einsatzort Gedanken, was Sie dort erwartet? Nein, während eines Einsatzes funktioniere ich einfach. Erst wenn danach der Druck und Stress von einem abfällt, kommen die Bilder im Kopf. Über welchem Einsatz kamen Sie persönlich lange nicht hinweg? Es ist schwer, einen bestimmten Einsatz herauszupicken. Es waren schon so viele. Besonders ein Bahnunfall oder jemanden aus der Wohnung zu holen, der schon vier Wochen dort liegt, ist schrecklich. Das Schlimmste für mich ist, wenn ich nicht helfen kann. Oder wenn ich zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall mein Möglichstes getan habe und dann stirbt die Person kurz nach der Bergung. Dann will ich keinen Namen, kein Alter, keine persönlichen Infos wissen. So versuche ich, die Distanz zu wahren. Würden Sie sich denn eine andere Art von psychologischer Hilfe wünschen? Nein, es ist in Ordnung, so wie es ist – zumal wir bei uns keine großen Probleme damit haben. Das KIT macht eine gute Arbeit, und es werden wirklich keine Kosten und Mühen gescheut, um uns nach Einsätzen zu unterstützen. War das schon immer so? Nein. Früher wurden psychische Probleme eher verurteilt. Da hieß es dann schnell mal: du Weichei. Ich denke, in den letzten zehn bis 15 Jahren hat die Medizin in dieser Hinsicht sehr viel erkannt. Und auch aus dem Militär kam die Einsicht, dass psychologische Hilfe manchmal nötig ist. Trotzdem sollte man aufpassen, keinen Hype daraus zu machen. Wie meinen Sie das? Ich finde, man sollte es mit psychologischer Nachbetreuung nicht übertreiben. Sie ist nur dann wichtig, wenn man sie wirklich braucht – ansonsten wirkt sich das eher kontraproduktiv auf den Kollegen aus. Außerdem darf man auch nicht vergessen: Das ist nun mal unser Job, dafür wurden wir ausgebildet. Haben Sie denn einen Tipp für Kollegen, um besser mit schweren Einsätzen umgehen zu können? Nein, jeder hat einen anderen Kopf, einen anderen Geist. Jeder geht anders damit um. Oft ist sowas auch von der Tagesform abhängig. Generell hilft die Erfahrung und das Bewusstsein, dass man nicht alles und jeden retten kann. Deshalb liegt mir auch viel daran, die Frauen und Männer nach jedem Einsatz zu loben und ihnen bewusst zu machen, dass wir unser Bestes getan haben - auch, wenn wir vielleicht nicht jeden retten konnten.

Stefan Klein.
Stefan Klein.
x