Pirmasens Clown? Spinner? Egal!

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Die Mehrheit der Wähler in den USA wollte die Veränderung und hat deshalb für Donald Trump gestimmt. Das sagen Norbert Stretz und Walter Müller, die sich oft in den USA aufhalten. Vor einer sozialen Spaltung warnt Angelika Glöckner. Keine Gefahr für die Airbase in Ramstein sieht Anita Schäfer. Und die beiden Amerikanerinnen Chrystal McPhail und Corrie Katzenmeyer haben ihre eigene Sicht.

Näher dran geht nicht. Seit sieben Wochen hält sich der Pirmasenser Sozialdemokrat Norbert Stretz bei Freunden in den USA auf, er hat die Endphase des Wahlkampfs hautnah miterlebt. „Es war eine Hexenjagd“, das Clinton- wie das Trump-Lager hätten sich nichts geschenkt. „Was da passiert ist, ist in Deutschland absolut nicht vorstellbar“, sagte Stretz. Am Ende sei die Stimmung zugunsten Trumps gekippt. Es sei eine Wahlentscheidung gewesen gegen das Establishment. „Die Leute wollten eine Veränderung, ihnen war egal, ob Trump ein Clown oder Spinner ist“, sagte Stretz. Ab 4 Uhr am Morgen („Ich konnte nicht mehr schlafen.“) verfolgte die SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Glöckner die Abstimmung in den USA und war am Ende „bestürzt und schockiert“. Ihre Schnelldiagnose gestern Vormittag: Es gebe viele Menschen – nicht nur in den USA –, die sich von den Politikern nicht mehr mitgenommen fühlen und die keine positive Wirkung der Politik auf ihr Leben wahrnehmen. Diese Menschen würden schnell zur Beute der Rechtspopulisten. Glöckners Lösungsvorschlag: mit ursprünglich sozialdemokratischen Themen wie soziale Gerechtigkeit die gesellschaftliche Spaltung in Arme und Reiche verringern. Und: „Ich will versuchen, auf die Menschen zuzugehen, ihnen zuhören, sie dazu bewegen mitzumachen“, statt sich von der Politik abzuwenden. Der Ausgang der US-Wahl war gestern auch Gesprächsthema im Verteidigungsausschuss des Bundestags, dessen Mitglied Anita Schäfer ist. „Das Ergebnis ist Ausdruck einer tief gespaltenen Gesellschaft in den USA“, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete. Bereits vorher sei klar gewesen, dass auf Europa und besonders Deutschland als stärkstes Land größere Verpflichtungen im Verteidigungsbereich zukommen, egal wer gewinnt. Donald Trump habe dies bereits im Wahlkampf sehr laut gefordert und andernfalls sogar die Beistandspflicht der USA in Frage gestellt. Wie sehr sich Wahlkampfforderungen anschließend tatsächlich in realer Politik niederschlagen, bleibe aber abzuwarten. Deutschland habe seit der Ukraine-Krise begonnen, den Trend zu einem immer kleineren Verteidigungshaushalt und einer immer kleineren Bundeswehr umzukehren, und plane sowohl die Truppenstärke als auch den Ausrüstungsstand wieder zu erhöhen. Mit einem Präsidenten Trump sei es gut möglich, dass diese Bemühungen noch verstärkt werden müssen, falls sich die USA weniger in der Verteidigung Europas engagieren. „Weniger Sorgen mache ich mir um den Erhalt von US-Einrichtungen wie der Airbase Ramstein und dem geplanten Neubau des Militärhospitals Landstuhl, da diese nicht zuletzt auch amerikanischen Interessen dienen“, sagte Schäfer. In jedem Fall käme mit einer weniger engagierten USA aber der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik größere Bedeutung zu. Chrystal Mc Phail, Pastorin der evangelisch-methodistischen Kirche in Pirmasens, ist gebürtige Amerikanerin und stammt aus North Carolina. „Ich war die ganze Nacht wach und habe die Wahl live verfolgt. Der Ausgang war für mich, wie wahrscheinlich für alle, eine große Überraschung“, sagte die 41-Jährige. Gerade in den kleinen Gemeinden sei die Wahlbeteiligung sehr hoch gewesen. Viel weniger Menschen seien in den weltoffenen, großen Städten an die Urnen gegangen. „Da ich als ,Reserve Chaplain’, als Pastorin, noch immer für die amerikanischen Streitkräfte tätig bin, wird Donald Trump deshalb auch mein Vorgesetzter sein. Ich bete dafür, dass Gott ihm die Weisheit und Weitsicht gibt, die USA als Präsident in eine positive Zukunft zu führen“, so McPhail. Sie hoffe sehr, dass sich die Wahl Trumps als gute Wahl auch für den Rest der Welt herausstellt. Wawi-Chef Walter Müller kommt in der Welt herum, sein Unternehmen ist auf allen Kontinenten vertreten und beliefert beispielsweise von Kanada aus den US-amerikanischen Markt. Mit dem Sieg Trumps hatte er nicht unbedingt gerechnet, war aber auch nicht allzu überrascht. „Ich bin viel in Kalifornien und habe dort erlebt, dass auch intelligente Leute Trump unterstützt haben. Weil sie sagen: Es kann so nicht mehr weiter gehen.“ Trump habe bei seinen Anhängern einen großen Enthusiasmus entfacht und dem Volk nach dem Mund geredet, zwei Gründe für seinen Erfolg. Dass Trump neue Zölle aufbauen und darunter der Welthandel leiden wird, glaubt Müller nicht; auch nicht, dass sich Trump als Präsident der Kontrolle des Kongresses entzieht. „Ich war schockiert, als ich erfuhr, dass Trump gewonnen hat“, erzählt die US-Amerikanerin Corrie Katzenmeyer (29), die 2005 nach Deutschland kam. Die in Waldfischbach-Burgalben lebende Ingenieurin, die für die SG Waldfischbach in der Volleyball-Verbandsliga spielt, hielt Trump angesichts der „furchtbaren Aussagen zu Frauen, Immigranten und farbigen Menschen“ für chancenlos. Viele Wähler hätten wohl Trump für das geringere Übel gehalten – „keine guten Voraussetzungen für einen Präsidenten, aber anscheinend genug, um gewählt zu werden.“|pr/bos/elim

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