Pirmasens Die letzten ihrer Art

Paul Reinig, Peter Braun und Rüdiger Böhm haben als Folker Musikgeschichte in der Pfalz mitgeprägt. Bands wie ihre und vor allem von dieser Qualität gibt es nicht mehr viele. Glücklich also, wer am Freitag im Haus am Lindenbrunnen in Vinningen dabei sein durfte, als das Trio einen Querschnitt aus 15 Jahren seines Schaffens präsentierte.

Paul Reinig hat ja, obwohl er heute in Landau lebt, Heimatrecht in Pirmasens. Nicht nur, weil er 1959 hier geboren wurde und auf dem Horeb aufgewachsen ist. Beinahe von Anfang an gehörte er zur hiesigen Folkszene, die seit Anfang, Mitte der 70er Jahre in Pirmasens besonders rege war. Nicht zuletzt das von den Jugendlichen selbst verwaltete Jugendhaus am Nagelschmiedsberg war ein Kristallisationspunkt für Musiker, Poeten und einer gewissen Boheme, die es genoss, wenn Musiker wie die „Queen of Clawhammer-Banjo“ Hedy West, Klaus Weiland oder Guy und Candie Carawan hier auftraten. Es gab noch das Festival „Pirmins Folk“ und die kleine Dichter-Vereinigung „Von uns für euch“, die vom damaligen Stadtbücherei-Leiter Ernst Teubner gefördert wurde und von der Paul Reinig beinahe alle kleinen Lyrik-Bände gesammelt hat und zur Pause präsentierte. Reinig war schon damals ein hörenswert guter Fingerpicking-Gitarrist und hat mit seinen verschiedenen Bands wie der heute noch existierenden Gruppe „Siebenpfeiffer“ manche Entwicklung angestoßen und befördert. Er entstammt also einer Zeit, die sich politisch-kulturell noch emanzipatorischen Zielen verschrieben hatte. Das ist mitzudenken, wenn man heute, 40 Jahre später ein Konzert von „Reinig, Braun und Böhm“ besucht, denn auch Peter Braun und Rüdiger Böhm haben musikalisch, kulturell und politisch einen ähnlichen Hintergrund. Auf dem handwerklichen Niveau, auf dem sie ihr Repertoire an klassischen Folksongs, vielen zeitgenössischen Lyrik-Vertonungen und instrumentalen Stücken präsentieren, haben sie längst ihre künstlerische Unschuld verloren. Was hier auf Piano, Flöte, Gitarre und diatonischem Knopfakkordeon geboten ist, befindet sich deutlich jenseits der Möglichkeiten, die üblichen Amateuren mit Folk-Repertoire zu Gebote stehen. Da ist einmal mit „De Eichelbauer“ ein „Zwiefacher“ im Programm, ein bayerischer Volkstanz im schnellen Tempo und ständigem Wechsel von geraden und ungeraden Taktarten. Das muss man können. Genauso aber muss man die Atmosphäre treffen, soll aus dem Rezitativ von „De Hoddedräächer“ jenes synästhetische Kunstwerk entstehen, bei dem man den Dunst im Weinberg, den schmerzenden Rücken, den Schweiß in den Augen, Geräusche und Gerüche wahrzunehmen glaubt, immer aufgeschreckt durch den Ruf „Trauwe“, der wie aus einer anderen Welt herüber hallt. Schwere Kost – eigentlich. Aber „Reinig, Braun und Böhm“ kontern sie immer wieder mit Spaßgeschichten, dem „Dampfnudel-Blues“, „De Grapp un de Fuchs“ und selbst dem Kinderlied für Erwachsene „De Hans im Schnoogeloch“. Beim „Lehmklumpe-Blues“ verwenden sie einen Text von Michael Bauer, bei Liedern wie „Die alt Bauerei“ und „ The Irish Palatines Daughter“ gehen sie weit in die Vergangenheit, als die Pfälzer nach Amerika auswanderten, manchmal aber auch unterwegs in Irland hängen geblieben sind. In der Pfalz gibt es derzeit niemand, der dieses Repertoire mit dieser künstlerischen Autorität präsentieren würde oder auch nur könnte. Im Elsass vielleicht René Egles, in Lothringen Marcel Adam, aber die haben ihren eigenen Stil und „Reinig, Braun und Böhm“ sind auch im Vergleich mit diesen gleichwertigen Künstlern einzigartig. Das ist schön.

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