Pirmasens Keine Feld-Auffüllerin mehr

HOCKENHEIM

. Die Sonne scheint über dem Hockenheimring. „Das ist mein Wetter“, freut sich Andreas Germann am Samstagmorgen auf zwei Formel-3-Rennen im AFR-Pokal. In einem prall gefüllten Feld starten der Pirmasenser und seine Tochter Angelique. „Wir müssen hier erst mal durchkommen“, betont Andreas Germann beim Frühstück. 24 Fahrzeuge werden sich in zwei 25-minütige Rennen stürzen. Mit seiner Tochter, aber in zwei verschiedenen Teams startet der 51-jährige Pirmasenser im AFR-Pokal. Hervorgegangen ist dieser aus dem Austria-Formel-3-Cup, den der Österreicher Franz Wöss vor 25 Jahren gegründet hat. 2014 nahm die heute 25-jährige Pirmasenserin unter Wöss, der im AFR-Pokal nun ihr Teamchef ist, an ihrem ersten Formel-3-Rennen auf dem Hungaroring teil – ohne jegliche Rennsporterfahrung. „Ein Sportkommissar nahm mich damals auf die Seite und schimpfte: ,Warum tun sie das dem Mädchen an?`“, erzählt Wöss schmunzelnd. Er habe daraufhin geantwortet: „Ich tue ihr das gar nicht an. Das Mädchen möchte das selbst. Und dann ist sie ins Training gegangen und wurde nicht mal Letzte.“ Angelique Germann hört die alte Geschichte nicht gerne. „Das ist doch so lange her“, protestiert sie. Viel lieber hört sie, dass sie jetzt im Fahrerlager als Konkurrentin anerkannt ist. „Jetzt bist du kein Füller mehr im Starterfeld“, habe sie ein italienischer Fahrer zuletzt gelobt. Der AFR-Pokal kooperiert bei einigen Rennen 2016 mit der vergleichbaren italienischen Serie. Deswegen trat Wöss mit seiner Serie Ende Mai in Imola an. Da platzte auch für die einst milde belächelte Angelique der Knoten. Im dritten Saisonrennen holte sie nicht nur den ersten Sieg im Deutschen Formel-3-Pokal, sondern wurde Vierte im AFR-Pokal. Ihr Vater wurde hier nur Achter und war zugleich seine Führung in der deutschen Wertung los. Seitdem fährt die Tochter dem Vater vor der Nase rum. „Ich hätte nichts dagegen, wenn Angelique den deutschen Pokal gewinnt“, lobt der stolze Vater seine Kämpferin. Der Gegenbesuch der Italiener erfolgte nun im badischen Motodrom. Deshalb gingen 24 Fahrer in die Rennen. „Da sind ein paar Wilde dabei“, weiß Andreas Germann aus den Trainingsläufen am Tag zuvor. „Mir ist gestern einer im Qualifying über den Frontflügel gefahren“, bestätigt Tochter Angelique das Hauen und Stechen im Feld. Und: „Ohne Unfall wäre es noch schneller gegangen.“ Schneller werden – das ist Angeliques Thema 2016. Nach den ersten Rennen bei Wöss wechselte sie für 2015 in ein anderes Team. Auf einmal ging nur noch wenig vorwärts. 2016 kehrte die junge Frau zu Wöss zurück. Im Deutschen Pokal scheint, seit Imola, nun alles zu gelingen. Drei Siege und ein zweiter Platz sind eine stolze Leistung. „Wir hatten noch nie eine so starke Frau im Feld“, lobt der Pokal-Chef. Der ist überzeugt: „Angelique ist noch nicht am Ende der Lernkurve“. Einen großen Anteil am Erfolg habe das neue Auto, ein Dallara 308. „Ich bin eingestiegen und es ging sofort schneller.“ So einfach sei das gewesen. Und das ist es dann doch wieder nicht. Nach einigen Nachfragen legt die Rennfahrerin nach: „Ich befasse mich mehr mit dem Auto; gehe mit meinem Mechaniker vor jedem Rennen die Kurven durch.“ Mit Erfolg. Im ersten Hockenheimrennen wurde Angelique Germann in der deutschen Wertung wieder Erste. In der Gesamtwertung aller Fahrzeuge kam sie auf Platz neun ins Ziel. Dabei pflügte sie neben Kurve 2 einmal durchs Gras. In der Sachskurve bremste die Ehrgeizige in einer anderen Runde so hart, dass sie sich fast einen Bremsplatten holte. Nach dem Rennen haderte sie: „Ich bin am Start schlecht weggekommen.“ Fast kein gutes Haar lässt sie an ihrer Leistung. Denn: „Ich will nach vorne.“ In der Härte der Selbstkritik ähnelt sie ein wenig Walter Röhrl. Der Rallyeweltmeister lamentierte einst, nach einem freien Hockenheimtraining bei der DTM im Audi Quattro über sein Versagen auf der Rundstrecke. Dabei war der Ex-Rallyeweltmeister Trainingsschnellster ... Vom Weltmeister-Status ist Angelique Germann natürlich noch sehr weit entfernt. Aber mit ihrer Einstellung sollte sie den Deutschen Formel-3-Pokal holen. Nach Platz zwei national im zweiten Hockenheimrennen (wieder Rang neun insgesamt) darf sie sich hier Favoritin nennen. Vater Andreas wurde im ersten Hockenheimring-Rennen in Runde eins von einem Kollegen an der Mercedes-Tribüne „abgeschossen“ und kam als Vorletzter ins Motodrom, fuhr aber noch auf Rang 14 vor (Rang drei national). Im zweiten Rennen belegte er Platz elf und war damit wieder drittbester Deutscher. Es war – vorerst – Andreas Germanns letztes Rundstreckenrennen. Während die Tochter am kommenden Wochenende beim zweiten deutschen Rennen des AFR-Pokals am Lausitzring teilnimmt, startet er mit seinem CR Racingteam beim Homburger Bergrennen.

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