Pirmasens „Lieber Himbeergeist als gar keinen Verstand“

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„Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Unter diesem Titel hat das Mundarttheater Bruchweiler einen fast zweieinhalbstündigen Schwank aus der Feder der Autorin Beate Irmisch auf Bühne gebracht, der zum einen für wahre Lachsalven beim Publikum sorgte und zum anderen zeigt, wie beliebt und begehrt die seit 30 Jahren bestehende Laienspielgruppe geworden ist.

„Alter schützt vor Torheit nicht“, mag sich die Autorin aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich gedacht haben, als sie „Wer nicht hören will, muss fühlen“ geschrieben hat. Im Mittelpunkt des Dreiakters steht der Grantler und Misanthrop „Onkel Hannes“, gespielt von Hans Rösch. Er ist über 70 Jahre alt, unbelehrbar und in Sachen Liederlichkeit kaum zu übertreffen. Seine Nichten Helma (Christel Deusch) und Josefa (Marlene Trapp) haben ihrer Mutter am Sterbebett versprochen, sich um den Alten zu kümmern, was sich – natürlich – alles andere als einfach erweist. Hannes hat es faustdick hinter den Ohren und stellt eine Dummheit nach der anderen an. Indem er sich nur schwer davon überzeugen lässt, sich von einer polnischen Hauswirtschafterin (urkomisch gespielt von Edith Gimber) zuhause betreuen zu lassen, sorgt er für Missverständnisse, die die Nerven von Nichten und Nachbarn strapazieren. Das Publikum findet sich gleich zu Beginn des Stücks in Hannes′ mehr als schmuddeligen Wohnzimmer wieder, das gleich von der ersten Minute auf den gesamten Charakter der Hauptfigur schließen lässt: Geradezu ungeniert werden die Füße mit löchrigen Strümpfen auf den Tisch gelegt, wird sich fast obszön an gewissen Körperstellen gekratzt, am frühen Morgen, getreu dem Motto „Lieber Himbeergeist als gar keinen Verstand“, ein Schnaps nach dem anderen getrunken und die „liebe Verwandtschaft“ mehrfach grob beleidigt. Sprachlich wird das Ganze vom Bruchweiler Dialekt getragen, der von der Gruppe in die eigentlich hochdeutsche Textfassung eingepflegt wurde. Hannes-Darsteller Hans Rösch versteht es dabei, den kauzigen Alten, der Menschen lieber von hinten als von vorne sieht, gleichzeitig aber ein Kätzchen zu sich in die Wohnung holt, um es nachts vorm Erfrieren zu retten, nicht nur authentisch sondern geradezu liebevoll auf die Bretter zu bringen, dass das Publikum mit dem Antihelden nicht nur gnädig verfährt, sondern ihm all seine Sympathie entgegen bringt. Hannes′ einziger Freund, Nachbar Alfons Ängstlich (gespielt von Roman Epp), mit dem er nicht nur in Sachen Alkohol ordentlich auf den Putz haut, sondern auch sonst ein seltsames Paar abgibt, so dass Vergleiche mit dem Komikerduo Jack Lemmon und Walter Matthau nicht mehr fern sind. Selbst etwaige moralische Bedenken, als der verheiratete Nachbar Harry Greulich (Michael Burkhart) anfragt, ihm die Wohnung für ein außereheliches Stelldichein mit einer Fremden zu überlassen, fegt „Onkel Hannes“ einfach weg – schließlich lässt der Bittsteller ganze 100 Euro springen, um vom „Ehedrachen“ Erna (Sabine Metzger) nicht erwischt zu werden. Der Wendepunkt tritt ein, als die polnische Hauswirtschafterin Radka zeitgleich eintrifft und mit Harrys Liebchen (Arabella Burkhart) verwechselt wird. Hannes ist sich sicher: Die rustikale, grobe und resolute „Bulldogge“ aus Osteuropa, die ihrem Gegenüber keineswegs konträr, sondern in seiner Derbheit schlichtweg ähnlich ist, muss weg! Garniert wird das bunte Treiben im tristen Wohnzimmer durch eine Nebenrolle, die die Komik des Stücks enorm bereichert: Der skurrile, stotternde Staubsaugervertreter Eugenius Swirl (Jan Lory), der als „Running Gag“ immer mal wieder auftaucht, um seinen „Tiger“ anzupreisen und damit mehrfach Szenenapplaus einheimst. Sehr zur Freude des Publikums, unter denen sich am Samstag nicht nur Einheimische und Urlaubsgäste des Dahner Tals, sondern auch Besucher aus Landau, Mannheim und Esslingen gemischt hatten, verstehen es die Akteure des Bruchweiler Mundarttheaters, die schwanktypischen Wortspielereien, Verwechslungen und die sich daraus ergebenden Pointen nicht nur handwerklich gut verarbeitet, sondern auch mit einer ordentlichen Portion Herz darzubieten. Schauspielerische Schwachstellen gibt es keine: Auf Zurufe des Publikums wird spontan reagiert, sprachliche Besonderheiten und Herausforderungen, wie das Stottern von Swirl oder der klischeehafte polnische Akzent von Radka, überzeugend und konsequent über 120 Minuten durchgezogen. Auch alle Zoten aus dem Alltag, diverse Possen und derbe Witze werden – so einfach sie textlich und dramaturgisch auch angelegt sein mögen – derartig dicht und alles andere als trivial präsentiert, dass jeder Schauspieler nicht nur spielsicher“ sondern fast professionell daherkommt. Da wundert es nicht, dass alle künftigen Vorstellungen bereits ausverkauft sind.

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