Pirmasens „Pass-Wahn macht Fußball kaputt“

«PIRMASENS.» Eine ganze Fußballnation trägt Trauer, ist geschockt und wütend zugleich, nachdem die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland durch ein 0:2 gegen Südkorea bereits in der Gruppenphase ausgeschieden ist. Die RHEINPFALZ sammelte Meinungen zum WM-Aus.

„Dieser Pass-Wahn macht den Fußball kaputt“, sagt die Pirmasenser Trainer-Ikone Robert Jung. Der 73-Jährige, der einst Mainz 05, Kickers Offenbach und den FSV Salmrohr in die 2. Bundesliga geführt hatte, vermisste im Spiel der Deutschen „Aggressivität, Tempo, Durchschlagskraft und das Umschalten auf ein anderes System“. Das Spiel sei niveaulos und „langweilig“ gewesen. Nie habe er mal „vier oder fünf Deutsche im Sprint auf das koreanische Tor zustürmen sehen“. Dabei seien doch gerade jene Aktionen oft spielentscheidend. Zudem hätten die deutschen Spieler „die Situationen nicht erkannt, in denen sie mit einem Torschuss Erfolg hätten haben können“. Angst vor der Verantwortung machte Jung aus. Bundestrainer Joachim Löw müsse „sich nun selbst hinfragen“. Löw stagniere in seiner Art, das Team zu führen. Jung: „Frischer Wind würde der Nationalmannschaft sicher guttun.“ Die deutsche Auswahl habe „nicht den Zug gehabt wie noch vor vier Jahren“, findet Peter Spitzer. Der Vertreter der Landrätin, der früher elf Jahre lang bei der Turnerschaft Rodalben Handball und parallel dazu beim SV Burgalben Fußball spielte, sieht im WM-Aus aber „keinen Beinbruch“. Es gelte nun, sich „auf die deutschen Tugenden zu besinnen“. Spitzer hält gar nichts davon, Trainer Löw zu entlassen. Dieser könne ja nicht die Tore selbst schießen und Verträge seien dazu da, dass sie erfüllt würden. „Die meisten Fehler werden im Erfolg gemacht“, weiß Michael Zwick, Verbandsbürgermeister des Dahner Felsenlandes und früher selbst Verbandsliga-Fußballer. So sei es auch bei den Deutschen gewesen. Löw habe den Kader nicht genügend aufgefrischt. „Zu statisch, zu langsam und nicht aggressiv genug“ sei das Spiel gewesen. Zwick kreidet dem DFB-Team an, dass es zu sehr auf der Suche nach Harmonie gewesen sei: „Das ist nicht gut.“ Keiner habe mal auf den Tisch geschlagen – auch nicht Trainer Löw, der zu Özils und Gündogans Fototermin mit dem türkischen Staatschef Recep Erdogan unzureichend Stellung bezogen habe. „Löw kann nicht mehr lange bleiben“, ist sich Zwick sicher. „Das ist eine Katastrophe“, sagt Andreas Langner, der Trainer des FK Clausen. Es sei unverständlich, wieso „mit solch einem starken Kader“ nur der letzte Platz in der Vorrundengruppe heraussprang. Es sei „eine ganz schwarze Stunde für den deutschen Fußball“. Langner: „Es muss einen Neuaufbau geben – ohne Löw.“ Dieser habe grundlegende Dinge falsch gemacht und es auch nicht geschafft, Ruhe in seinem Kader zu haben. Er könne es noch nicht richtig glauben, dass sich „das Thema WM für uns erledigt hat“, erzählt Trainer Oliver Reich, der in der abgelaufenen Saison mit dem SV Lemberg Meister der B-Klasse Ost wurde. Gleichwohl wäre es „unverdient“ gewesen, wenn Deutschland „mit diesen Leistungen weitergekommen wäre“. Die beste Zeit sei bei einigen Spielern vorbei, und einige Akteure, die vor vier Jahren noch Weltmeister geworden waren, seien wohl „zu satt“. Reich ist sich indes nicht schlüssig, ob Löw nun gehen oder bleiben soll: „Er hat bisher viel erreicht, aber er hat es auch versäumt, frühzeitig gegenzusteuern.“ Ein Trainer trage immer einen Teil der Schuld am Versagen seines Teams. „Sonst schelten die Leute immer, wie langsam der Frauenfußball sei. Die deutsche Herren-Nationalmannschaft hat sich offenbar diesem Tempo angepasst“, sinniert Steffi Dums, Ex-Bundesligafußballerin in Niederkirchen und heute Vorstandsmitglied des SC Hauenstein. Die Hauensteinerin beklagte in Löws Mannschaft „fehlende Leidenschaft und leblose Charaktere“. Typen wie der Weltmeister von 2014, Bastian Schweinsteiger hätten gefehlt. Dums: „Da schaue ich mir lieber so manches unterklassige Fußballspiel an.“

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