Speyer Aus 179 Euro werden mehr als 2500 Euro

Dashcam: Damit können Unfälle aufgezeichnet werden.
Dashcam: Damit können Unfälle aufgezeichnet werden.

179,90 Euro. Für eine „Dashcam“ am Armaturenbrett des Autos. Ortwin Uhl aus Schifferstadt hat schon größere Rechnungen bezahlt in seinem Leben. Aber er hatte mit bisher keiner so viel Ärger wie mit dieser. Einen Teil davon lastet er dem Amtsgericht Speyer an. Erst ungefähr vier Jahre nach dem Kauf ist der Fall nun entschieden worden – vorerst.

Uhl, der als pensionierter Polizist eigentlich viel Vertrauen in den Rechtsstaat mitbringt, hadert natürlich zunächst mit dem Unternehmen, bei dem er die Kamera bestellt hat. Es war ein Internetkauf, der „nie funktioniert hat, wie er sollte“, so der Schifferstadter. Die Kamera habe sich aus unerklärlichen Gründen selbst nach 40 Sekunden abgeschaltet. Er habe in der Folge den Mangel gerügt und das Gerät zurückgeben wollen, berichtet Uhl, doch der Verkäufer habe die Erstattung des Kaufpreises abgelehnt. Begründung: Die Widerspruchsfrist sei verstrichen. Für die Klage, die Uhl daraufhin angestrengt hat, ergab sich daraus ein wichtiges Argument: Er habe die vorgeschriebene Widerrufsbelehrung nie erhalten, mithin habe gar keine Frist verstreichen können. Knapp zwei Jahre hat Uhl zuletzt auf ein Urteil vom Amtsgericht Speyer gewartet und es Anfang Juni kurz nach der Anfrage der RHEINPFALZ zu dem Verfahren beim Gericht erhalten: Seine Klage ist abgewiesen worden. Das Gericht ist seinen Argumenten nicht gefolgt – sie seien verjährt. Er habe das schon im Verfahren kommen sehen, sagt Uhl, der mit der Richterin hadert, unter anderem (erfolglos) einen Befangenheitsantrag und eine Verzögerungsrüge gegen sie eingereicht hat. Nun kann er wegen des geringen Streitwerts keine Revision des Verfahrens im eigentlichen Sinn anstrengen, will allerdings eine Beschwerdestelle anrufen und ist für alle möglichen weiteren Schritte offen, wie er sagt. Für ihn geht’s längst nicht mehr nur um die 179,90 Euro: 2500 Euro für ein Gutachten, Anwalts- und Gerichtskosten kommen hinzu. Hans-Jürgen Stricker, Direktor des Amtsgerichts, kann den Ärger des Klägers nicht nachvollziehen. Zwar habe das Verfahren lange gedauert, aber das habe Gründe: Rund ein halbes Jahr habe das Gutachten „gekostet“, ein Vierteljahr der Befangenheitsantrag, seitens des Klägers sei zudem eine Strafanzeige dazugekommen. Stricker verweist darauf, dass einerseits ein Vergleichsversuch des Gerichts (Rückerstattung des Kaufpreises oder der Hälfte davon) nicht angenommen worden sei. Andererseits habe der Sachverständige vorab darauf hingewiesen, dass er die zu erwartenden Kosten für unverhältnismäßig angesichts des Streitwerts halte. „Der Kläger ging jedoch nicht darauf ein.“ Im Nachhinein hadert Uhl mit der Bestellung des Gutachtens: In einem anderem Verfahren habe dieselbe Amtsrichterin ein solches wegen geringen Streitwerts abgelehnt. Und: Ein schriftlicher Vergleichsvorschlag sei ihm nicht bekannt. „Rechtsstreitigkeiten wegen des Widerrufs eines Kaufvertrags werden von den Zivilrichterinnen des Amtsgerichts Speyer eher selten verhandelt“, ordnet Stricker auf Anfrage ein. Solche Fragen tauchten häufiger im Zusammenhang mit Verbraucherdarlehensverträgen auf. Verstärkt komme es jedoch vor, dass Kaufverträge über das Internet geschlossen werden – Uneinigkeiten wie in Uhls Fall hinsichtlich der Widerrufsbelehrung seien nicht auszuschließen. Wenn es anschließend zum Gerichtsverfahren komme, sei eine Vielzahl von Sonderregelungen zu beachten. Das mache solche Fälle teilweise juristisch nicht einfach. Vom Zugang der Widerrufsbelehrung bis hin zum Wertersatz im Fall der Rückgabe der Ware könne es etliche „Fallstricke“ geben.

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