Speyer Erziehungsauftrag hinter Gittern

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Am 29. Januar wird Klaus Bischoff, Richter am Amtsgericht Speyer, dort seinen letzten Arbeitstag verbringen, um dann nach seinem Urlaub am 31. März mit 64 Jahren in Pension zu gehen. Er war dann 40 Jahre im Justizdienst – für Beamte mit akademischer Ausbildung ein eher seltenes Dienstjubiläum.

„Bei mir hat halt zeitlich alles gepasst“, meint er. „Ich musste nicht zur Bundeswehr, konnte gleich nach dem Abitur 1970 mit dem Studium anfangen, erst in Mannheim, später in Freiburg. Abgeschlossen habe ich es in Heidelberg nach neun Semestern. Die Referendarzeit schloss sich nahtlos an. Nach dem zweiten Staatsexamen bekam ich sofort meine erste Stelle bei der Staatsanwaltschaft.“ Bischoffs Hauptaufgabe seit August 1981: Er ist als Jugendrichter Vollstreckungsleiter für die Jugendstrafanstalt Schifferstadt, der größten des Landes. Damit obliegen ihm die richterlichen Entscheidungen, die während des Vollzugs der Jugendstrafe zu treffen sind. „Am häufigsten zu entscheiden sind Anträge zur vorzeitigen Strafentlassung auf Bewährung nach Paragraf 88 des Jugendgerichtsgesetzes“, erklärt er und betont: „Beim Jugendstrafrecht spielt der Erziehungsgedanke eine entscheidende Rolle.“ So werde zu Beginn der Strafe für den Jugendlichen ein Vollzugs- und Eingliederungsplan von der Anstalt erstellt. Den bekomme ich gleich am Anfang auf den Tisch. „Der Verurteilte könnte etwa die Schule abschließen – wir haben in Schifferstadt sowohl Hauptschulklassen, als auch eine Realschulklasse. Dem Abschlusszeugnis sieht man nicht an, dass die Schule in der Strafanstalt stand.“ Es gebe auch Anti-Gewalt-Training oder Trainingskurse zur Verbesserung der sozialen Kompetenz. Frühestens nach sechs Monaten könne der Verurteilte erstmals einen Antrag auf Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung stellen. Bischoff: „Meine zweithäufigsten Fälle betreffen die Rückstellung der Strafe zugunsten einer Drogentherapie.“ Wie sieht denn der durchschnittliche „Kunde“ von Richter Bischoff aus? „Meist liegt die Haftzeit unter zwei Jahren, es sind zum großen Teil Eigentumsdelikte, oft in Verbindung mit Sucht. Geklaut wird Bargeld oder die neuesten Handys und Smartphones jugendlicher Opfer. Die Täter kommen meist aus sozialen Brennpunkten. Es gibt aber auch Drogendealer aus guter Familie.“ Tatsächlich führten viele zum ersten Mal in der Anstalt ein geregeltes Leben mit Schule oder Arbeit in den Werkstätten, geregelten Mahlzeiten und Freizeitmöglichkeiten, unterstreicht der Richter rückblickend. In Schifferstadt gebe es moderne Sportanlagen. Referendare, die noch nie in einer Strafanstalt waren, staunen oft darüber – und über das viele Grün hinter den Mauern, erinnert er sich. Trotzdem sei der Anfang für alle Häftlinge „sehr, sehr hart“, weiß Bischoff. Wie ist es mit Gewaltdelikten? „Gewalttaten von Jugendlichen haben eher abgenommen. Was aber zugenommen hat, ist die Schwere der einzelnen Tat, dass etwa auf einen eingetreten wird, der schon am Boden liegt.“ Und die Jugendlichen mit Migrationshintergrund? „Dass die besonders auffallen, könnte ich nicht sagen. Nach der Wende hatten wir eine Zeitlang Schwierigkeiten mit Russlanddeutschen. Mancher hat nicht kapiert, dass Vergewaltigung hier als Verbrechen bestraft wird. Zu Hause war das nichts“, erklärt der Jurist Was hat Klaus Bischoff im Ruhestand vor? „Ich mache gerne Sport, spiele seit Jahrzehnten Tennis im Verein, und hoffe, jetzt auch mehr schwimmen und Rad fahren zu können. Außerdem bin ich ein Fan vom 1. FC Kaiserslautern und von den Mannheimer Adlern. Ich freue mich darauf, mehr Spiele sehen zu können.“ Bleibt noch der ausgestopfte Auerhahn in seinem Dienstzimmer, den er von seinem Onkel, der ebenfalls Richter in Speyer war, geerbt hat. Für den Vogel hat er inzwischen ein neues Zuhause gefunden: Obwohl die Einrichtung eher lebende Tiere bevorzugt, wird das Tier sein Rest-Dasein im Landauer Zoo fristen.

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