Speyer Im Disput mit dem Staat

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Als „Reichsbürger“ wird der 49-Jährige eingestuft, der vorige Woche in Bayern einen Polizisten erschossen und drei weitere Beamte verletzt hat. Damit ist eine Bewegung ins öffentliche Blickfeld gerückt, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet, als wachsend und zunehmend gefährlich eingestuft wird. Sie hat auch Anhänger in Speyer und Umland.

Fast jede Kommunalverwaltung kann ein Lied von den „seitenlangen Abhandlungen“ singen, wie Barbara Fresenius von der Pressestelle der Stadt Speyer die Briefe sogenannter Reichsbürger bezeichnet, die immer wieder im Rathaus ankämen. In deren Briefkopf stehe dann etwa ein „Bundesstaat Bayern“. Im Amtsgericht Speyer ist gerade am Montag ein „Riesenfax“ eingegangen, das ähnlich einzuordnen sei, wie Direktor Hans-Jürgen Stricker auf Anfrage sagt. Von der Stadtverwaltung würden solche Schreiben gemäß einer Empfehlung der Landesregierung nicht erwidert, erklärt Fresenius. Schwieriger werde es, wenn das Verhalten der Abweichler rechtlich relevant werde: Aktuell sei bei der Speyerer Stadtverwaltung zum Beispiel ein Fall anhängig, bei dem sich ein „Reichsbürger“ weigere, seine Falschparker-Strafe zu zahlen. „Klagen dieser Art hatten wir auch schon in den Bereichen Staatsangehörigkeitsrecht, Hundesteuer, Abgabenrecht und Fahrerlaubnisrecht“, sagt Fresenius. Sie spricht von zwei bis drei entsprechend motivierten Widersprüchen pro Jahr. Eine steigende Tendenz könne die Verwaltung momentan nicht erkennen. Auch die Polizeiinspektion Speyer hat immer wieder mit „Reichsbürgern“ zu tun. Von „etwa vier Personen“, die schon auffällig geworden seien – drei in Speyer, eine im Umland –, geht auf Anfrage der stellvertretende Leiter Andreas Heintz aus. „Es können aber viel mehr sein, die sich dieser Bewegung zugehörig sehen“, sagt er. Gefahren wie im bayerischen Fall sieht er nicht: Die Betreffenden seien nicht als Waffenbesitzer verzeichnet. „Unser Kontakt zu ihnen bewegt sich meist im Rahmen von Schriftverkehr“, so Heintz. Einmal, im Jahr 2012, sei es in Speyer zu Widerstand bei Vollstreckung eines Haftbefehls gegen einen der „Reichsbürger“ gekommen. Verletzte habe es dabei nicht gegeben. Auch der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz mit Verwaltungssitz in Speyer ist das Phänomen bekannt. „Es ist eine überschaubare Anzahl von Fällen, es bereitet uns aber viel Arbeit, wenn wir damit zu tun haben“, sagt Pressesprecher Hans-Georg Arnold auf Anfrage. Die Widersprüche richteten sich freilich weniger gegen die Rente vom Staat als gegen Beitragszahlungen im Vorfeld: „Sie wollen Beiträge zurückhaben, sind meist noch nicht im Rentenalter.“ Die Vorgehensweise bei der Rentenversicherung: „Wir teilen ganz sachlich mit, dass es so nicht geht.“ Meist sei das bisher ohne Rechtsstreit akzeptiert worden. Es gehe den Bürgern um ihren eigenen Vorteil, betont auch Amtsgerichtschef Stricker: „Sie melden sich meist, wenn sie etwas zahlen sollen.“ Man lasse sich auf keine Diskussionen ein, antworte in knappen Schreiben und im Wiederholungsfall auch gar nicht mehr. Ein Fall für das Verwaltungsgericht in Neustadt war 2013 der Disput eines Schwegenheimers mit der Verbandsgemeinde Lingenfeld, der es nicht hinnahm, dass ihm Gewerbesteuer gepfändet wurde – und den Handelnden im Rathaus seinerseits Zwangsmaßnahmen angedroht hat. Das passt zu einer weiteren Masche der Bürger: Sie verwahrten sich gegen Kontaktaufnahmen der Verwaltungen, schickten diesen „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ zu, wie Stadt-Speyer-Sprecherin Fresenius sagt. „Diesen sind Kostenaufstellungen bei Verstößen in US-Dollar, teilweise in Silber, beigefügt.“

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