Speyer Stadtwerke: Wachsen für Wirtschaftlichkeit

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Hintergrund: „Die Ergebnisse werden niedriger werden.“ 4,5 Millionen Euro Gewinn konnten die Stadtwerke für 2015 verbuchen, an die Stadt zwei Millionen abführen, Zuwächse in allen Versorgungssparten bilanzieren. Dennoch tritt Chef Wolfgang Bühring auf die Bremse: Die verlässlichen Rahmenbedingungen seien dahin. Die Herausforderungen im Überblick.

Markt:

„Der Wettbewerb wird schneller, die Margen werden kleiner“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Bühring. Seit mehr als einem Jahrzehnt müssen sich die Stadtwerke auf einem liberalisierten Energiemarkt behaupten, die zunehmende Preisempfindlichkeit ist dabei eine ganz normale Tendenz. „2015 hat gezeigt, dass wir unsere Kunden stärker halten konnten als andere“, sagt Bühring. Abgewandert wird trotzdem. In voller Ausprägung sehen die Stadtwerke das bei Industriekunden, wo Verträge nur für ein, zwei Jahre abgeschlossen werden und die Wechselbereitschaft groß ist. Längst nicht mehr alle Speyerer Firmen sind Stadtwerke-Kunden. Im Umkehrschluss versorgt das Unternehmen aber seit 2009 auch bundesweit, hat Referenzkunden wie Bavaria-Film (München) und Odenwald-Quelle gewinnen können. Aber: „Wir erkennen, dass die Margen ruinös werden“, so Bühring. Investitionen: Die Speyerer Ver- und Entsorgungsinfrastruktur ist einerseits nicht die jüngste und zum anderen nicht mehr überall ausreichend für das, was auf die Stadtwerke zukommt. „Sie muss ertüchtigt werden“, kündigt Bühring erhöhten Investitionsbedarf an. Der konventionelle An- und Verkauf von Strom sowie Gas aus großen Kraftwerken werde sinken, das Stadtwerke-Netz müsse „bidirektional“ werden, auch für Einspeisungen von Kunden, die etwa selbst Strom produzieren, gerüstet sein. Heute komme rund die Hälfte der elf Megawattstunden Fotovoltaik-Strom aus Speyer von Privatleuten, die andere Hälfte von Anlagen der Stadtwerke, künftig werde diese Art der Energieerzeugung zunehmen. Investitionen erzeugten Abschreibungen, Betriebskosten und „ein erhöhtes Risiko, dass es mal nicht so läuft“, warnt Bühring. Regulierung: Bei TTIP, dem geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen, gehören die Stadtwerke Speyer schon lange zu den Warnern. Es könne die Geschäftsgrundlage zerstören, sagt Bühring. Heute gebe es das Monopol, lokale Netze zu betreiben und sich deren Nutzung von anderen vergüten zu lassen, das mit der sozialen Komponente verbunden sei, dass auch unrentable Gebiete einer Kommune versorgt werden müssten. Bei zu weitgehender Liberalisierung stehe dies ebenso infrage wie die Qualität der Wasserversorgung. Er habe „ein ungutes Gefühl, solange nichts Genaueres bekannt ist“, so der Firmenchef. In diese Kategorie passt auch die Veränderung gesetzlicher Rahmenbedingungen, wie sie jetzt mit der vom Bund verordneten Netzkosten-Senkung drohe. Bühring: „14 Prozent innerhalb von zwei Jahren sollen vorgeschrieben werden, das können wir nicht kompensieren.“ Das Ergebnis werde belastet. Unternehmensstruktur: Die Stadtwerke könnten eigenständig überleben, sagt der Geschäftsführer, der dem Landesverband kommunaler Unternehmen vorsteht, mit der Erfahrung von 19 Jahren im Amt. Quasi ein Naturgesetz sei das aber nicht mehr. „Wenn wir nur Strom und Gas hätten, wären wir schon an einer Grenze.“ In fünf bis zehn Jahren müssten weitere kleinere Netzbetreiber aufgeben, prognostiziert Bühring. Die Stadtwerke hätten diesen wegen ihres breiten Spektrums Verbund- und Synergieeffekte voraus. Längst betreiben sie Netze einst eigenständiger Versorger im Umland, sind in Otterstadt, Dudenhofen, Harthausen oder Römerberg aktiv. „So können wir unsere Dienstleistungen wirtschaftlicher gestalten.“ Die Effizienz steige, das Eigenkapital überdies, um für die Herausforderungen gerüstet zu sein. Von 17 Prozent auf 52 Prozent sei die Versorgung mit eigenem Geld in seiner Amtszeit geklettert, betont Bühring. „Sehr vernünftig“, lobt er die Politik für die Rückendeckung. Marktauftritt: Seit einem Jahrzehnt treten die Werke über ein Internetportal auch als Versorger außerhalb Speyers auf. Bis vor eineinhalb, zwei Jahren sei das ein kleines Zubrot gewesen, so Bühring. Seither gebe es aber stabile Zuwächse, und dieses Geschäft sei zur „wichtigen Säule“ geworden. „Wir haben Kunden und Ausschreibungen gewonnen.“ Externe Kunden seien zwar oft schwerer zu halten als treue Speyerer. Und es gehe um „Mini-Margen“, für die in Vertrieb und Beschaffung erst geeignete Strukturen aufgebaut werden mussten. Aber: Es stütze das Unternehmen. Im 2015er-Ergebnis stehen neben 48 Prozent Abgabe-Plus beim Strom fünf Prozent beim Gas und 20 Prozent bei der Fernwärme, wo das Netz weiter verdichtet werde. Der Hauptfaktor für solche Zahlen bleibe oft das Wetter, so Bühring. Der vergangene Winter sei zwar nicht eisig, aber relativ lange schmuddelig gewesen – das steigere den Absatz verlässlich. Erneuerbare Energien: Die Stadtwerke glauben, aufs richtige Pferd gesetzt zu haben. Sie haben inzwischen Anteile, die sechs eigenen Windkraftanlagen entsprechen, bauen diesen Bereich weiter aus: In Hatzenbühl wird ihnen der überwiegende Teil von fünf ab August entstehenden „Windrädern“ gehören. „100 Prozent regenerativ“ hat ihnen die Politik ins Stammbuch geschrieben, und daran wird intensiv gearbeitet. Den Aufbau komplexer Versorgungssysteme sieht Bühring als Marktchance. Da gibt es – wie berichtet – ein Pilotprojekt mit japanischen Partnern, das Energiegewinnung und -einspeisung auf neue Füße stellt, da wird an vielen anderen intelligenten Systemen gearbeitet. „Schwer zu sagen, wie stark wir damit die sinkende Tendenz beim Strom- und Gasabsatz kompensieren können.“ Die zwei Millionen Euro für die Stadt pro Jahr seien gesichert, ebenso die Investitionen in die Infrastruktur. Wie stark darüber hinaus die regenerative Energieerzeugung gestärkt werden könne, müsse sich Jahr für Jahr zeigen.

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