Speyer „Wir könnten es besser“

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Rund 600.000 Wertstoffsäcke geben die Stadtwerke (SWS) jährlich für Glas, rund 1,4 Millionen Stück für Kunststoffverpackungen an die Bürger aus. Das ist es nicht, was sie nervt. Es geht vielmehr um das bundesdeutsche Entsorgungssystem für Wertstoffsäcke. Da Problem ist der Weg mit vorgeschriebenen – inzwischen zu niedrigen – Wiederverwertungsquoten und vor allem „zwischengeschalteten“ Systemdienstleistern – Firmen wie „Grüner Punkt“ oder „Interseroh“. Dieses System ist in Augen der SWS-Experten falsch, ökologisch nicht nachhaltig und werfe noch nicht mal Geld ab. Es koste nur – Verbraucher, Verpackungsproduzenten und Entsorgungsunternehmen. „Wir sind nicht mehr von der Stabilität und der Funktionalität des Systems überzeugt“, formulieren SWS-Geschäftsführer Wolfgang Bühring und der Teamleiter Entsorgung der Werke, Peter Nebel, diplomatisch. Überzeugt sind sie dagegen davon, dass dieses Geschäft zurück in die Hände kommunaler Unternehmen wie der Stadtwerke gehöre. „Wir könnten es besser“, sagt Bühring. „Für den Bürger würde es außerdem günstiger“, behauptet Nebel. Bühring ist Chef der Landesgruppe Rheinland-Pfalz des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Diese setzen darauf, dass irgendwann ein Wertstoffgesetz die Stoffkreisläufe in die richtigen Bahnen lenkt. Weil es jedoch längst noch nicht soweit ist und außerdem der aktuelle Entsorgungsauftrag für die beiden Müllfraktionen Glas und Kunststoff in Speyer Ende des Jahres ausläuft, bereiten die SWS gerade ihre neue Bewerbung um den Sammelauftrag für weitere drei Jahre vor. Am Montag, 23. Juni, ist Abgabetermin beim zuständigen Ausschreibungsführer DSD – Der grüne Punkt – GmbH. Nebel und Bühring wiesen im Gespräch mit der RHEINPFALZ süffisant darauf hin: Ausschreibungsschluss war eigentlich schon vor einem Monat. Weil das System „schon fast vor dem finanziellen Zusammenbruch stand“, aber von der Industrie nochmals aufgefangen worden sei, habe man die Frist verlängert. Womöglich eine Galgenfrist. Die Krux: Neun sogenannte Systemdienstleister betreiben seit Verabschiedung der Verpackungsverordnung – die erste stammt aus 1991 – das Geschäft mit der Entsorgung. Sie agieren in den rund 430 deutschen Sammelgebieten, beteiligen sich aber nicht selbst operativ am Geschäft. Sie „lassen“ sozusagen für sich arbeiten. Sammelunternehmen und zum Beispiel kommunale Entsorgungsbetriebe bewerben sich um eine Sammelleistung für eine bestimmte Abfall-Fraktion, für Sortierung oder die Wiederverwertung. Diese Leistung wird bezahlt. Konkret heißt das: Die SWS erhalten Geld dafür, dass sie die Säcke regelmäßig, vollständig und zuverlässsig vor Speyers Haustüren abholen. Geld kommt ins System, weil die sogenannten In-Verkehr-Bringer, also die Produzenten von Waren, ihre Produkte lizenzieren, damit dort der grüne Punkt aufgedruckt wird. Die Gebühr wiederum bezahlt der Kunde an der Ladentheke im Preis des Produkts. „Auf einen Euro pro Jahr wird der Betrag geschätzt, den jeder Bürger dafür ausgibt“, weiß Nebel. Mehrere Faktoren bringen jedoch das System durcheinander: Immer mehr Handelsriesen verkaufen Eigenmarken – ohne Lizenz. Damit sparen sie sich das Geld für die Systemdienstleister, könnten also den Jogurtbecher selbst zurücknehmen. Macht aber keiner, die Bürger werfen auch den unlizenzierten Becher zum lizenzierten in den Sack. Damit ist die Verpackungsmenge weiter da, aber die Rückholung wird nicht mehr wie kalkuliert bezahlt. Gut sei der Preis für den immer höheren Anteil an wiedergewonnenen „Rohstoffen“, so Bühring. „Wir als Stadtwerke haben in dem System aber keinen Zugriff darauf“. Restmüll müsse verbrannt werden, koste pro Tonne die SWS rund 100 Euro. Der Kauf der Säcke kostet ebenfalls: die für Kunststoff rund 40.000 Euro, die für Glas 35.000 Euro pro Jahr. Die aktuelle Schieflage des machten Zahlen deutlich, betont Nebel: 400 Euro koste eine Tonne Abfall – für Sammlung, Sortierung, Verwertung. Bei den Systemdienstleistern aber kämen noch einmal 800 Euro „Overheadkosten“ etwa für Verwaltung dazu. „Das kann nicht funktionieren.“ Deshalb tun sich die SWS schwer, ihr Angebot zu kalkulieren. „Wir arbeiten im Grunde für einen Deckungsbeitrag“, sagt Bühring. Sie setzen tariflich günstige, junge Mitarbeiter, auch mal Leiharbeiter ein, fahren mit abgeschriebenen Autos. Nur so ließen sich überhaupt „noch ein paar Euro verdienen“, sagt Nebel. „Wir bewerben uns nicht um jeden Preis“, betont der Stadtwerkechef. Wenn am Montag die Bewerbung abgegeben ist, ist für September das Ergebnis zu erwarten. Am 1. Januar 2015 beginnt der neue Vertrag. „Die Chancen stehen 50:50“, sind die Müllmanager Realisten. Ihr liebstes Ergebnis wäre, sie könnten die Sache mit den Systemdienstleistern im Sack entsorgen. Am besten ohne Wiederverwertungsquote.

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