Zweibrücken Der Rosengarten war sein Arbeitsplatz

Um Wölfe in der freien Natur mit der Kamera einzufangen, brauchte es viel Geduld.
Um Wölfe in der freien Natur mit der Kamera einzufangen, brauchte es viel Geduld.

Mehr als 100.000 Besucher strömen jedes Jahr in den Rosengarten. Ein Vergnügen, das der Zweibrücker Rudolf Spacke täglich hatte. 21 Jahre lang war die Parkanlage sein Arbeitsplatz.

„Die Tiere und die Natur habe ich über alles geliebt“, sagt Rudolf Spacke, wobei er das „a“ so lange dehnt, als wolle er all seine Naturverbundenheit in den Vokal legen. Daran habe sich bis heute nichts geändert. Dass er den Rosengarten, wo es von beidem jede Menge gibt, für 21 Jahre seinen Arbeitsplatz nennen durfte, sei ein großes Glück gewesen. „Es war einfach schön, in der Natur und draußen zu sein“, schwärmt der 87-Jährige. Einen festen Einsatzort hatte der Zweibrücker nicht. In der Fasanerie und im Rosengarten habe er überall gearbeitet. „Ich habe alles gemacht: Rosen und Sträucher geschnitten, Vogelkästen aufgehängt.“ Die Vogelkästen seien seine Idee gewesen. „Die fressen ja an den Rosen alles weg, was da ist“, erklärt er durchaus überzeugend. Das habe sein Chef anders gesehen und sie abhängen lassen: „Der hat gescholten, weil wir so viel Futter gebraucht haben“, erzählt er lachend.

Vom Pinsel zur Heckenschere

In sein Berufsleben gestartet ist der naturverbundene Zweibrücker mit dem Pinsel in der Hand. „Als junger Kerl, da war in Zweibrücken noch alles bombardiert, da bin ich in die Malerlehre gekommen“, erinnert er sich. Auch in der alten Parkbrauerei habe er den Wänden schon einen Anstrich verpasst. Im Winter habe es für Maler kaum Arbeit gegeben. Hinzu kam, dass vielerorts noch die Nachwehen des Krieges das Stadtbild prägten. „Ich habe einfach Arbeit gesucht, und da bin ich überall hin, auch in den Rosengarten.“ Dort habe es ihm so gut gefallen, dass der gelernte Maler noch eine Lehre drangehängt hat. Die lateinischen Baumbezeichnungen, die er dort lernen musste, seien ihm noch im Schlaf durch den Kopf gerattert, erzählt er lachend. Spackes Lieblingsbaum im Rosengarten gibt es nicht mehr: „Der Ginkgo ist der beste Baum der Welt. Der war 130 Jahre alt, und dann haben sie ihn einfach abgeschnitten.“ Nicht nur den Ginkgobaum vermisse er, sondern auch einen Großteil der Rosenpracht. „Ich gehe schon länger nicht mehr in den Rosengarten“, sagt er etwas enttäuscht. Wie es im Rosarium zu seiner Zeit ausgesehen hat, weiß er noch genau. Nicht zuletzt auch, weil er jede Ecke der Parkanlage in Bildern festgehalten hat.

Naturliebhaber und leidernschaftlicher Fotograf

Denn der Rosengarten war nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch Spielfläche für den begeisterten Hobbyfotografen. Die Leidenschaft für die Fotografie und das Malen begleitet ihn schon seit Kindheitstagen. „Mein Vater hat schon tolle Bilder gemalt und fotografiert“, erinnert sich der Niederauerbacher, während er ein großflächiges Schwarz-weiß-Bild ausrollt.

Spackes Fotografien sind nicht nur zeitgeschichtliche Dokumente, sondern auch Eintrittskarten in verschüttete Erinnerungen. Beschreibt er ein Bild, tröpfeln die Erinnerungen nach und verdichten sich zu einer Geschichte aus seinem Leben. „Ich habe einfach fotografiert, in jeder Ecke und Kante. Ich war sonntagmorgens schon ganz früh im Rosengarten und habe Bilder gemacht“, so Spacke. Tausende Aufnahmen seien so über die Jahre zusammengekommen. Viele davon habe er verschenkt oder sie an den Wänden seines Elternhauses, das er bis heute bewohnt, aufgehängt. Darunter Fotos, die die Stadtentwicklung Zweibrückens dokumentieren sowie Landschafts- und Tieraufnahmen, in denen er den Betrachtern für einen Moment seine Augen leiht.

Rudolf Spacke vor 25 Jahren, als er sich für eine Tieraufnahme durch hüfthohes Wasser zu einem Ansitz schlich.
Rudolf Spacke vor 25 Jahren, als er sich für eine Tieraufnahme durch hüfthohes Wasser zu einem Ansitz schlich.

Wenn er nicht in Zweibrücken und Umgebung unterwegs war, zog es Spacke an seinen Sehnsuchtsort Bayern. In ganz Bayern sei er rumgekommen. „Was die Tiere haben in Bayern“, schwärmt er. Immer mit dabei: seine Kamera. „Ich habe dort einmal einen Wolf gesprochen, also fotografiert“, verbessert er sich und lässt dabei durchschimmern, wie intim die Momente zwischen dem Fotografen und seinen Motiven vor der Kamera waren. Bei dem Gedanken an das Bild vom Wolf schießt ihm eine weitere Anekdote ins Gedächtnis: „Ich bin mal dazu gekommen, wie fünf Wölfe ein Stück Fleisch zerreißen. Da habe ich drei oder vier Bilder gemacht und dann bin ich abgehauen.“ Leichtsinnig sei er bei seinen Exkursionen nie gewesen, erfinderisch hingegen schon. „Im Winter habe ich mich mit einer weißen Kute bis zum Boden, weißer Kappe und Handschuhen in den Schnee gelegt und auf eine Sau gewartet. Da habe ich die ganze Zeit abgedrückt, ohne etwas zu sehen.“ Sobald etwas in der Natur „zappelte“, habe er die „Ruhe weg“ gehabt.

Wald als Sehnsuchts- und Zufluchtsort

Die Natur war nicht nur sein liebstes Motiv, sondern auch immer ein Rückzugsort, um in schwierigen Lebensphasen neue Kraft zu tanken. „Ich habe in meinem ganzen Leben viel Pech gehabt“, erzählt er sichtlich erschöpft. Spackes erste Frau und Mutter der gemeinsamen Tochter verstarb bereits im Alter von 34 Jahren. „Das war eine harte Zeit“, sagt er, während er sich die feuchten Augen reibt. Es war nicht der letzte Verlust, den er verkraften musste. „Die Natur hat mir immer geholfen und tut es noch.“

Wenn er heute durch den Wald geht, fängt er die Bilder nur noch mit seinen Sinnen ein. „Ich hatte früher große Objektive. Die habe ich aber alle verkauft“, so Spacke. Das sei schon lange her. „Jetzt geht das alles nicht mehr“, erzählt er und zeigt auf seinen steifen, kleinen Finger, der an der zittrigen Hand wie versteinert wirkt. Auch wenn keine neuen Bilder dazukommen, von seinen Aufnahmen zehrt er noch immer: Etwa, wenn er sich an die „wunderbare Reise nach Bayern“ mit seiner späteren Partnerin Dorle erinnern möchte. Da fällt sein Blick dann auf ein gerahmtes Bild, und der Tag wird wieder greifbar. „Ich hab das Bildchen von meiner Dorle auf dem Gipfelkreuz noch zu Hause noch stehen.“ Bei der gedanklichen Reise in den Rosengarten helfen ihm nicht nur zahlreiche Bilder, sondern auch viele Gedichte, in denen er die Schönheit seines ehemaligen Arbeitsplatzes eingefangen hat.

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