Leitartikel Streit zwischen Union und FDP: Schwarz-gelber Superzoff

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen suchte bei ihrer Rede vor dem EU-Parlament am 18. Juli breite Unterstützung. Eine
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen suchte bei ihrer Rede vor dem EU-Parlament am 18. Juli breite Unterstützung. Eine komfortable Mehrheit erreichte sie aber nur dank der Grünen. Die FDP-Abgeordneten stimmten nicht für sie.

Zwischen Union und FDP wird der Ton schärfer. Es geht schon zu wie in der Zeit von „Wildsau“ und „Gurkentruppe“. Die Abstimmung im EU-Parlament über Ursula von der Leyen könnte sich als nachhaltige Zäsur erweisen.

„Lieber Friedrich Merz, ich wünsche Dir mit den Grünen gute Reise – in den Abgrund“, schrieb FDP-Vize Wolfgang Kubicki kürzlich auf X an den CDU-Vorsitzenden. Die Tonlage erinnert an die Zeit vor knapp 15 Jahren, als sich FDP und CSU gegenseitig ihre Wertschätzung mit Begriffen wie „Wildsau“ und „Gurkentruppe“ ausdrückten. Union und FDP galten früher einmal als fast schon natürliche Bündnispartner. Rund 16 Jahre lang regierte die schwarz-gelbe Koalition von 1982 bis 1998 unter Kanzler Helmut Kohl (CDU). Die Neuauflage unter Angela Merkel (CDU) von 2009 bis 2013 endete dann aber damit, dass die FDP 2013 aus dem Bundestag flog.

Hinter klarer Mehrheit knapp vermiedenes Drama

Der jüngste Streit entzündete sich an der Abstimmung im Europaparlament am 18. Juli über eine zweite Amtszeit für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Sie brauchte 360 Stimmen und bekam 401. Doch hinter der komfortablen Mehrheit versteckt sich ein potenzielles Drama, das nachhaltige Effekte für künftige Koalitionsbildungen in Deutschland haben könnte. Von der Leyen hatte nur diese eine Chance. Gerade angesichts der Lage in den USA war es von extrem großer Bedeutung, dass die EU handlungsfähig bleibt und es von der Leyen gelingt, die proeuropäische und demokratische Mitte hinter sich zu bringen. Gesichert war dies eigentlich durch ein Bündnis der drei Mitte-Gruppierungen EVP (zu der die Union gehört), Sozialisten und Renew (Liberale, zu denen die FDP gehört). Tatsächlich wäre von der Leyen aber fast gescheitert, weil ihr die fünf FDP-Abgeordneten ihre Stimme verweigerten.

FDP hätte EU in schwere Krise gestürzt

Die FDP hätte also die EU in eine schwere Krise gestürzt, wenn von der Leyen nicht von den Grünen gerettet worden wäre, von denen sie 45 Stimmen bekam. Die Grünen hätten einigen Grund, sauer auf von der Leyen zu sein, weil die CDU-Politikerin auf Druck der EVP weite Teile ihres Klimaschutzprogramms „Green Deal“ verwässert. Aber die Grünen haben zum Glück erkannt, dass ohne von der Leyen sicher nichts besser würde. Sie haben sich, anders als die FDP, für ein verantwortungsbewusstes Stimmverhalten entschieden. Danach sah sich selbst der sonst meist als Grünen-Fresser auftretende CDU-Chef Friedrich Merz zu ein paar anerkennenden Worten für die Grünen veranlasst – und zu völlig berechtigter Kritik an der FDP.

Es spricht einiges dafür, dass die Abstimmung über Ursula von der Leyen eine Zäsur im Verhältnis zwischen Union und FDP bedeutet. Allerdings gibt es auch gegenläufige Tendenzen. In Baden-Württemberg bemüht sich CDU-Chef Manuel Hagel, der sich wohl schon als künftiger Ministerpräsident sieht, demonstrativ um einen Schulterschluss mit FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke. Der erregte 2021 Aufsehen damit, dass er zwei CDU-Staatssekretäre, die 62 und 64 Jahre alt waren, als „Staatssekretärs-Volkssturm“ bezeichnete. Der Volkssturm war in der Endphase des Zweiten Weltkriegs das letzte Aufgebot der Nazis, für das auch Männer bis 60 mobilisiert wurden. Als er einen Sturm der Empörung auslöste, redete sich Rülke mit der Behauptung heraus, für ihn sei „Volkssturm“ wegen des Sturms auf die Bastille am 14. Juli 1789 ein positiver Begriff. In Sachen Eintracht mit der CDU ist Rülke nun wohl so etwas wie der Mann der Stunde.

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