Leitartikel Zu viel bei der Bahn geknausert

Allein die S-Bahn Berlin hat an jedem EM-Spieltag rund 150.000 Reisende zusätzlich befördert.
Allein die S-Bahn Berlin hat an jedem EM-Spieltag rund 150.000 Reisende zusätzlich befördert.

Pleiten, Pech und Pannen prägen das Bild, das die unterfinanzierte Deutsche Bahn bei der EM bietet. Nun soll ihr wohl auch noch eine Milliarde Euro abgezwackt werden, die Verkehrsminister Wissing in die Autobahnen stecken will.

Bei der WM 2006 machte die Deutsche Bahn (DB) alles in allem einen guten Eindruck. Die Hoffnung, dass sich dies 2024 bei der EM wiederholen könnte, platzte schnell. Besonders bezeichnend war ein Desaster gleich am ersten Montag (17. Juni). Züge aus Wien mit vielen Fußballfans auf dem Weg nach Düsseldorf, wo Österreich gegen Frankreich spielte, kamen nur bis Passau, weil die Strecke nach Regensburg dort überraschend gesperrt war. Leider ist dieser Fall typisch dafür, dass zu den bekannten Baustellen immer wieder auch noch unerwartete kommen. Verschärft wird die Situation noch durch Probleme, für die die DB nichts kann. Besonders gravierend waren die Hochwasserschäden auf der normalerweise stark befahrenen Strecke von Nürnberg nach Würzburg.

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Sehr viel Medienwirbel gab es, als Turnierchef Philipp Lahm wegen Bahn-Problemen erst stark verspätet zur Partie Ukraine gegen Slowakei in Düsseldorf eintraf. Lahm stellte allerdings klar, dass er während all seiner Reisen nur einmal Opfer eines Bahn-Problems wurde. „Insgesamt, ich bin jetzt zehn Tage mit der Bahn unterwegs, bin ich zu den meisten Dingen sehr, sehr pünktlich gekommen“, sagte er. Recht hatte Lahm besonders mit seinem Hinweis, dass sich nun die Versäumnisse früherer Jahre rächen.

Die Schweiz investiert viel mehr ins Schienennetz

In der Schweiz, deren Team bei der EM die Bahn bisher am häufigsten genutzt hat, wird seit langer Zeit sehr viel mehr in das Schienennetz investiert als in Deutschland. Entsprechend besser sind auch Qualität und Zuverlässigkeit des Zugangebots. Bezeichnend für die deutsche Verkehrspolitik ist ein Vorgang, der sich parallel zur EM abspielt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) fehlt rund eine Milliarde Euro in seinem Etat für die Autobahnen – und zwar, auch bezeichnenderweise, weil das Geld für Neubauprojekte verplant wurde, die lange als politisch attraktiver galten als Unterhaltungsarbeiten, deren Bedeutung meist erst dann deutlich wird, wenn es zu spät ist. Wissing hat laut der „Süddeutschen Zeitung“ nun die fehlende Milliarde gefunden – und zwar bei der Bahn. Der will er eine Milliarde Euro streichen und in den Autobahn-Etat umschichten. Zum Ausgleich dafür soll die Deutsche Bahn (DB) eine Kapitalerhöhung nun früher bekommen als bisher geplant – das Geld wird ihr dann also später fehlen.

Steigende Schienen-Maut wegen Kapitalerhöhung

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) rückt Geld für die DB derzeit am ehesten in der Form einer Kapitalerhöhung raus, weil die nicht in die Berechnung der Schuldenbremse eingeht. Diese Maßnahme hat aber einen großen Nachteil. Eine Kapitalerhöhung führt wegen eines gesetzlich festgeschriebenen Renditeanspruchs zu einer höheren Schienen-Maut. Offenbar wird die DB vom Bundesfinanzministerium gedrängt, diesen Renditeanspruch auch voll geltend zu machen. Dabei ging man im Bundesfinanzministerium offenbar davon aus, dass dies nicht groß auffällt, weil die Zusammenhänge zu kompliziert fürs breite Publikum sind. Dass stimmte aber nur, bis jetzt durchsickerte, dass die Fernzugsparte der DB nun wohl Intercity-Züge streichen wird, die durch die stark steigende Schienen-Maut unwirtschaftlich werden. Massiv betroffen davon sind gerade Thüringen und Sachsen, wo im September Landtagswahlen anstehen.

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