Rheinland-Pfalz „Der Literatur Leben einhauchen“

Anja Ohmer hat dieser Tage besonders viel zu tun: Die studierte Germanistin und Kulturwissenschaftlerin leitet nicht nur das Zentrum für Kultur- und Wissensdialog (ZKW) an der Uni Koblenz-Landau. Sie kümmert sich auch um die letzten Details beim „Lies mal!“-Festival in Speyer. In diesem Jahr hat sie als Jury-Mitglied auch die Patenschaft für einen Autor übernommen.

Frau Ohmer, beim Lesefestival übernehmen Sie die Patenschaft für Sebastian Fitzek, der bekanntlich Psychothriller schreibt. Lesen Sie viele Geschichten über psychisch labile Typen?

Sebastian Fitzek habe ich durchaus gelesen. Nicht nur, weil er in diesem Jahr die Poetikdozentur an der Uni Koblenz-Landau inne hat. Sondern auch, weil ich finde, dass er gute Plots konstruiert. Bei ihm wird der Leser überrascht. Außerdem lotet er die Innenräume der menschlichen Psyche toll aus, beschreibt Krankheitsbilder und Persönlichkeitsstörungen sehr gut. Das finde ich spannend – und die Pfälzer offenbar auch, schließlich haben sie ihn unter ihre Top 10 gewählt. Apropos Top 10: Die Auswahl ist ziemlich breit, mit Lindgren, Shakespeare und J. K. Rowling ... Absolut. Das zeigt, wie viel und welche unterschiedlichen Werke die Pfälzer mögen. Trotzdem: Lesen muss man immer wieder fördern und in den Vordergrund stellen. Das sollen das „Lies mal!“-Festival und die „Die Pfalz liest für den Dom“-Aktion erreichen. Denn es gibt mit Sicherheit Teile unserer Gesellschaft, die nie lesen. Denken Sie da speziell an die jungen Leute, denen man nachsagt, eher am Smartphone zu hängen, statt ein gutes Buch in die Hand zu nehmen? Ich glaube, es ist die zentrale Aufgabe aller Bildungseinrichtungen, gerade denen das Lesen näherzubringen, die davon abgekommen sind. Kinder zum Beispiel lesen ja in der Regel gern, bekommen von den Eltern vorgelesen. Mit der Pubertät ändert sich das oft. Da ist es ein guter Weg, mit so einer visuellen Inszenierung dem ganzen wieder Leben einzuhauchen. Ihre Schauspielstudenten gestalten die szenischen Lesungen. Wie haben sie sich vorbereitet? Für sie ist der Auftritt eine unheimliche Herausforderung. Die Vorbereitungszeit war nicht lang, sie haben lediglich den Sommer über geprobt, Schauspiel- und Regiegrundlagen gelernt und werden jetzt alles eigenständig umsetzen. Sie müssen den Textauszug verdichtet auf den Punkt bringen. Ihn einfach eins-zu-eins zu übernehmen, wäre langweilig. Das gilt in gewisser Weise auch für die drei darstellenden Künstler, die wir über einen Wettbewerb gefunden und zum Festival eingeladen haben: die „Gibberish Whispers“ Mara May, „Herrn Huber“ von Cora Sachs und das Kollektiv „Euer Ernst“. Die Pfalz läuft und singt für den Dom. Am Wochenende liest sie auch ... Das ist aber ein schwierigeres Thema und nicht leicht umzusetzen. Lesen ist eine stille Tätigkeit, die wir nun zu einem öffentlichen, gemeinsamen Akt machen wollen. Mich persönlich begeistert aber auch, Kunst an ungewöhnliche Orte zu bringen. Es hat etwas demokratisches, zu sagen, man bringt das Lesen zu den Leuten in die Stadt – und schaut, was passiert. Dass man mal wieder ein Buch in die Hand nimmt, zum Beispiel? Vielleicht. Ich denke schon, dass die szenischen Lesungen dazu anregen, wieder mehr zu lesen. Egal ob ein Buch, das man kennt, oder auf dem Festival entdeckt hat.

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