Sport Huuuuuuuth

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Man hätte glauben können, ein Zeitzeuge zu sein. Zeuge, wie in der Mainzer Fußballarena ein neuer Publikumsliebling geboren wurde. Bei jeder noch so lapidaren Ballberührung ihres Torwarts schickten die Anhänger des FSV von 1905 ein lang gezogenes Huuuuuuuth hinaus in die Welt, eben so, als hätte dieser Huth, Vorname Jannik, das Spiel seines Lebens gemacht und der Mainzer Mannschaft den Allerwertesten gerettet. Nichts dergleichen war geschehen. Huth bekam nicht sonderlich viel zu tun, das Wenige, was auf seinen Kasten flog, etwa der Schuss aus spitzem Winkel von Salomon Kalou unmittelbar nach der Halbzeitpause, entschärfte er anscheinend mit Leichtigkeit. Das Sensationelle war die Tatsache, dass der 23-Jährige am Samstagnachmittag gegen Hertha BSC überhaupt im Tor stand. Eine Woche zuvor hatte er den verletzten Platzhirsch Jonas Lössl vertreten und sich vor dem entscheidenden Treffer zum 0:1 einen kapitalen Lapsus erlaubt. Lössl jedoch absolvierte vor dem Hertha-Spiel nur das Abschlusstraining, als Härtetest reichte dies FSV-Trainer Martin Schmidt nicht aus. Um 11 Uhr morgens überbrachte er Huth die für ihn freudige Kunde. Das passende Präsent zum 23. Wiegenfest, das Huth am Samstag feierte. Mit dem „zu null“ beschenkte sich der Torwart selbst noch einmal, ebenso seinen Coach, der während der Woche 50 geworden war. Zudem ließen die drei Punkte durch das 1:0 (Eigentor Brooks nach Latza-Schuss, 45. Minute) Geröll-Lawinen von Mainzer Schultern plumpsen. Huth zeigte sich von seinem Einsatz „ein bisschen überrascht“. Nervös war er nicht, zumindest strahlte er das nicht aus. Kapitän Stefan Bell lobte den jungen Torhüter als „sehr abgeklärt“, merkte aber an, dass es ihm die Mannschaft leicht gemacht habe. In der Tat ließ der lauffreudige und mit viel Schneid verteidigende FSV kaum eine gegnerische Chance zu. Die Hertha mischte das Ihre hinzu, ließ vor allem im ersten Spielabschnitt jeden Biss vermissen und versteckte sich derart, dass Trainer Pal Dardai einen bissigen Kommentar loswerden musste: „Im Grunde hätten wir drei, vier Eigentore erzielen müssen. So tief, wie wir verteidigt haben, kann man das eigentlich gar nicht machen.“ Achtmal in Folge hat der BSC in der Liga auswärts nun verloren. Vereinsrekord. Von nichts kommt eben nichts. Huth genoss die nach seiner Façon „überragende“ Stimmung. Zur Sieges-Humba riefen die Anhänger ihn auf den Zaun. Eine Würdigung. Martin Schmidt sieht in Huth ein Symbol für die Arbeit bei Mainz 05. Er hatte den gebürtigen Bad Kreuznacher schon in der U23 betreut, der Werdegang zum Bundesliga-Torwart sei ein „Vorbild für den Gesamtverein“. Da Huth tadellos agierte, steht Schmidt nun vor einer „Denksportaufgabe“. Wer hütet am kommenden Samstag im Spiel beim FC Bayern München das Tor? Huth? Oder doch wieder Lössl? Das Mienenspiel des Schweizers deutete darauf hin, dass er sich bereits festgelegt hat. Äußern wollte er sich zu dieser Frage allerdings nicht. Wer auch immer den Zuschlag erhält: Er muss sich in den Wochen bis zum Rundenende eine Eins mit Stern verdienen. Denn wie sagte der gut aufgelegte Mittelfeldmann Fabian Frei zum Erfolg gegen Berlin: „Es war ein Schritt. Vielleicht ein wichtiger Schritt. Wir brauchen aber noch ein paar Schritte mehr.“

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