Ski-Freestyle „Schneeprinzessin“ Gu erfüllt die Erwartungen der Gastgeber
Erst einmal richtete Eileen Gu ihre Haare, dann beantwortete sie charmant lächelnd in Mandarin und breitem amerikanischen Englisch die vielen Fragen, die auf sie einprasselten. Die „Schneeprinzessin“ aus Kalifornien lässt China über das nächste Gold jubeln und ist der neue Liebling im Land des Olympia-Gastgebers.
Mit dem schwierigsten Sprung ihrer Ski-Freestyle-Karriere katapultierte sich Gu nicht nur auf das oberste Podest bei der Premiere des Big-Air-Wettbewerbs in Peking. Die in San Francisco aufgewachsene 18-Jährige hat durch den Triumph beste Chancen, zu einem Sport-Superstar in beiden Welten aufzusteigen. Die Tochter eines Amerikaners und einer Mutter mit chinesischen Wurzeln startet seit 2019 für China.
Menschliche Grenzen verschieben
Offen ließ sie auch am Dienstag, ob sie für China ihre amerikanische Staatsbürgerschaft aufgegeben hat. Aber sie verbreitete im umstrittenen Gastgeberland die olympische Botschaft. „Sport kann Menschen vereinen. Wir sind hier, um menschliche Grenzen zu verschieben“, sagte der Teenager diplomatisch und dankte erst dem US-Verband und dann China für die Unterstützung. „Ich bin genauso Amerikanerin wie Chinesin. Ich bin Amerikanerin in den USA und Chinesin in China.“
25 bis 30 Prozent ihrer Zeit verbringe sie in China, in Peking lebe ein Teil ihrer Familie. Es fühle sich also wie eine Heimkehr an. Die einheimischen Fans unter den Zuschauern auf dem Gelände einer früheren Stahlhütte waren aus dem Häuschen und schwenkten chinesische Fahnen.
Sprung erstmals geglückt
Im dritten und letzten Durchgang stand Gu erstmals einen extrem schwierigen Sprung mit viereinhalb Drehungen in der Luft – im Fachjargon ein Double Cork 1620 – und landete sicher. „Grenzen zu überschreiten, das ist mein Charakter“, erklärte Gu selbstbewusst. Entscheidungen treffe sie immer im größeren allgemeinen Interesse. „Wenn Menschen mich nicht mögen, dann ist das ihre Sache.“ Sie ist die bislang jüngste chinesische Olympiasiegerin bei Winterspielen.
Auch IOC-Präsident Thomas Bach und Tennisspielerin Peng Shuai – wegen eines später gelöschten Posts über angebliche sexuelle Belästigung durch einen chinesischen Spitzenpolitiker seit Monaten im Fokus – verfolgten das Spektakel im Bezirk Shougang, etwa 50 Busminuten entfernt vom Olympiastadion.
Hohe Wellen im Internet
In der Qualifikation war Gu noch gestürzt, nun erfüllte sie Chinas Hoffnungen. In Chinas Sozialen Medien schlug die Goldmedaille für die „Schneeprinzessin“ genannte Gu hohe Wellen. Nur wenig später zählte der Hashtag „Gold für Gu Ailing“ mit ihrem chinesischen Namen schon 75 Millionen Klicks.
„Chinesische Mädchen sind großartig“, lauteten Kommentare im chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo oder auf Sportwebseiten. „Es ist fantastisch.“
Noch am Montag hatte Chinas Zensur dagegen scharfe Kritik in Sozialen Medien an der chinesischen Eiskunstläuferin Zhu Yi gelöscht – die ebenfalls in den USA geboren ist und in Peking zweimal gestürzt war.