Kultur Südpfalz Kritik statt Erbauung

Harry Oberländer ist zurzeit der etwas andere Stipendiat im Künstlerhaus Edenkoben. Nicht nur, weil der Frankfurter Literat schon im Rentenalter ist, sondern auch weil er den halbjährigen Aufenthalt in südpfälzischer Abgeschiedenheit der Evangelische Kirche der Pfalz verdankt. Dort wurde er von Dekan Armin Jung aus Neustadt zu seinen aktuellen Arbeiten befragt.

Im Raum Frankfurt ist Harry Oberländer ein Leuchtturm der Literaturszene. Nicht nur, weil der 1950 geborene, studierte Soziologie einige renommierte Lyrikpreise einheimste, sondern auch, weil er sich als Leiter des Hessischen Literaturforums im Mousonturm einen Namen machte. Was also verschlägt den Literaten im Rentenalter in die südpfälzische Provinz? „Ich wollte ein Stipendium in diesem Jahr“, erzählt er frei von der Leber weg, und da sei ihm beim Stöbern potenzieller Möglichkeiten das Angebot in Edenkoben ins Auge gestochen. Hier war er schon einmal zu Gast im Herrenhaus. Die schöne Erinnerung gab nun mit den Ausschlag für die Bewerbung für das Kirchen-Stipendium im Künstlerhaus. „Ist ja toll“, habe er sich gedacht, „da hat die Kirche einmal eine gute Idee gehabt, und warum soll ich sie da nicht unterstützen? Ich bin Mitglied von Geburt an, mit einigen Unterbrechungen“, da habe er auch inhaltlich was zu bieten. Dass sich die Jury für ihn entschied, spornt den Lyriker, der sich nun verstärkt auch der Prosa widmen will, erst recht an. Mitglied dieser Jury war Dekan Armin Jung, der zum Reformationsjubiläum auch die Idee zu diesem Stipendium hatte, das künftig alle zwei bis drei Jahre vergeben werden soll. Zum Glück würde man heute bei solchen Anlässen keine Denkmal-Kolosse mehr aufstellen. Da sei das Erinnern durch Sprache die bessere Methode – „gerade bei Luther, denn wenn er etwas Gutes hinterlassen hat, dann ist es die Sprache“, meint Jung. Ein Lob, das Oberländer auch für sich gelten lässt, verbunden mit dem Auftrag: „Wenn man’s kann, dann muss man’s machen.“ Und schon in jungen Jahren spürte er in sich „das Kreative, das nach Verwirklichung drängt“. Er hat es aufgesogen aus den Werken der großen Dichter und in seinem eigenen, eher nüchternen Schreibstil mit großem persönlichen Erfahrungsschatz und noch mehr Recherchefleiß verwoben. „Alleine bin ich nix. Ich brauche die intertextuelle Querverbindung, die Beschäftigung mit anderen Autoren“, bestätigt er und gibt die Probe aufs Exempel. Zuerst mit einem Prosatext zu seinem „Autobiographischen Projekt“ über das eigene Geburtsdatum – den 9. November. An einem solchen geschah viel. All diese Anlässe – von der Ausrufung der Republik über die Reichspogromnacht, den Mauerfall, aber auch den Todestag des Dichters Guillaume Apollinaire – werden vom Ich-Erzähler reflektiert, und dem Leser als Gedankenkaleidoskop mit realen Szenen und Traumsequenzen vor Augen geführt. „Meine Texte sollen nicht erbaulich, sondern kritisch sein“, so der Autor. Für das Lutherjahr hat er einige kürzere Texte verfasst. In „Stotternheim“ geht es um das Gewitter, das den Reformator „zur „Klosterentscheidung brachte“, in „Luther und Lenin“ um den Widerhall in der Gesellschaft, den der Protestant auf Denkmalsockeln oder als „Luthereiche“ findet. Info Am Montag, 5. Juni, 17 Uhr, liest Harry Oberländer bei der „Pfingstsoiree“ in der Martin-Luther-Kirche in Neustadt aus seinen Texten. Dazu spielt das Sextett „QuintUno“. Der Eintritt ist frei.

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