Kultur Südpfalz Willkommen in der „schönen, neuen Welt“

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Mit der Ausstellung „Infosphäre“ hat das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) die nächste Stufe seines im Juni begonnenen und bis Mitte April 2016 dauernden Riesenprojektes „Globale“ gezündet. Es geht dabei um die Kunst im Zeitalter der Digitalen Revolution, vor allem aber auch darum, wie sehr Kunst und (Natur)Wissenschaften mittlerweile in einander verschlungen sind. ZKM-Chef Peter Weibel, der diese Schau zusammen mit Daria Mille und Guilia Bini kuratiert hat, meinte bei der Pressekonferenz sogar, dass die Künstler heute mitunter schon den Wissenschaftlern voraus seien.

Die Wortschöpfung „Infosphäre“ entstammt den Begriffen Information und Biosphäre und beschreibt die elektrostatische Hülle rund um die Erde beziehungsweise das weltumspannende unsichtbare Netz aus Informationssystemen. Dieses entstand seit 150 Jahren mit Telegraf und Telefon über Rundfunk und Television bis zu Radar, Satellit und Internet. Ein Ende scheint – siehe selbstfahrendes Auto und die Vernetzung von Smartphone und Kühlschrank – derzeit nicht abzusehen. Wo Segen ist, da ist auch Fluch und so mag den Besucher bei der Konfrontation mit der einen oder anderen der hier gezeigten Arbeiten ein mulmiges Gefühl beschleichen. Selbst Chefkurator Weibel gab zu, da und dort ein Unbehagen verspürt zu haben. Es beginnt vergleichsweise harmlos mit Fotos von Apparaten, Rechenzentren oder Börsenarbeitsplätzen. Armin Linke, Professor an der HfG Karlsruhe, fotografiert seit mehr als 20 Jahren weltweit Auswirkungen der Globalisierung, Zeichen der Wandlung von Infrastrukturen und des Fortschreitens der gesellschaftlichen Vernetzung. Der Eindruck mysteriöser oder gar finsterer Mächte, die hinter all dem stecken könnten, ist nicht fern. Bei aller unterschiedlichen Herangehensweise der internationalen Versammlung von rund 80 Künstlerinnen, Künstlern und kreativen Gruppen geht es nicht nur um Big Data oder die Segnungen weltweiter Netze, ohne die unser heutiges – und künftiges – Leben nicht mehr funktionieren würde, sondern auch um die Verschmutzung, die in der Infosphäre, den Weltmeeren und der Atmosphäre gleich, eben auch entsteht. Und eben um das, was sich hinter Kabelsträngen, Datenzentren und Clouds, Bankenservern, Nachrichtendiensten und Wettersatelliten verbirgt. Von der Erfindung des Buchdrucks über die Dampfmaschine, den Nachweis der elektromagnetischen Wellen und den Siegeszug der individuellen Mobilität hat die Menschheit so manchen großen Sprung gemacht (was etwa im Fall der Entfesselung der Atomkraft nicht immer segensreich war). Derzeit stehen wir vor einer neuen Herausforderung: „Das erste Mal in der Geschichte erleben wir, dass der Mensch aus der technologischen Wertschöpfungskette komplett ausgeschlossen ist“. So Jacob Burda in einem Aufsatz aus dem vergangenen Jahr. Damit stellen sich auch den Künstlern viele Fragen neu. Die Antworten, die in dieser grandiosen wie fordernden Schau gegeben werden, mögen uns gefallen oder nicht. Info Bis 31. Januar im ZKM, Lichthof 1 und 2, Lorenzstraße 19, Karlsruhe. Öffnungszeiten bis 27. September im Rahmen des Stadtgeburtstags: Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr (ab 28. September nur Mittwoch bis Sonntag). Weitere Informationen zur „Globale“ unter www.dieglobale.de (yst)

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