Meinung Zinsen: Anleger sollten sich nicht zu früh freuen
Der Europäischen Zentralbank (EZB) blieb bei ihrer Ratssitzung dieses Mal kaum Handlungsspielraum. Nachdem die Einleitung der Zinswende im Juni angesichts anhaltend hoher Inflation von vielen Experten als verfrüht kritisiert worden war, mussten die Frankfurter Währungshüter stillhalten. Anleger setzen jetzt auf eine Zinssenkung im September – doch die ist längst nicht sicher.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde ließ sich bei ihrer Pressekonferenz nicht in die Karten schauen und machte deutlich, dass man sich alle Optionen offenhalte. Für sinkende Zinsen spricht indes die schwache Konjunktur im Euroraum. Angesichts ihrer mauen Verfassung könnte die Wirtschaft gut einen Anschub durch billigeres Zentralbankgeld und höheres Kreditwachstum gebrauchen.
Neue Teuerungsgefahren drohen aus den USA
Dagegen spricht jedoch, dass die Europäische Zentralbank noch immer mit der Inflation kämpft. Im vergangenen Monat ließ der Preisauftrieb zwar nach, allerdings nur minimal. Die Kernrate der Teuerung, bei der die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel ausgeklammert bleiben, liegt weiter deutlich über dem EZB-Ziel. Erst wenn der Lohnanstieg an Dynamik verliert, ist der Weg für Zinssenkungen frei.
Zudem muss die Notenbank neue Teuerungsgefahren berücksichtigen. So warnen Ökonomen bereits vor preistreibenden Effekten der auf Importzölle und Steuersenkungen fokussierten wirtschaftspolitischen Agenda des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der im Herbst gute Chancen auf eine Rückkehr ins Weiße Haus hat. Lagarde gab sich diplomatisch und lehnte es ab, über den Ausgang der US-Wahlen zu spekulieren. Doch die EZB dürfte die von einer Wahl Trumps ausgehenden Risiken genau verfolgen.