Meckenheim Vom günstigsten zum teuersten Anbieter

Meckenheim hat ein eigenes Werk.
Meckenheim hat ein eigenes Werk.

In Meckenheim macht sich Ärger breit: Die Energiepreise steigen in der Gemeinde deutlich stärker als in der Nachbarschaft. In diesem Punkt waren die Meckenheimer über Jahre ausgesprochen verwöhnt.

„Meckenheim: Günstigstes E-Werk“: Das war der Titel eines RHEINPFALZ-Artikels über das gemeindeeigene E-Werk im September 2019. Anlass war eine Analyse der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, die herausgefunden hatte, dass das Werk über fünf Jahre in der Grundversorgung landesweit die besten Preise hatte.

Das ist allerdings Schnee von gestern. Ab Januar schnellen die Preise in Meckenheim deutlich stärker in die Höhe als in der Nachbarschaft. Der Meckenheimer Wolfgang Seiberth hat sich die Preise genauer angeschaut und auf der Grundlage eines Gasverbrauchs in Höhe von 25.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr miteinander verglichen. Sein Fazit: Meckenheim liegt mit Kosten in Höhe von 5595 Euro ganz vorne, gefolgt von den Stadtwerken Bad Dürkheim (5471 Euro). Kunden der Neustadter Stadtwerke dagegen zahlten nur 3356 Euro, so Seiberth.

Das Rathaus in Meckenheim.
Kommentar

Problematische Struktur

In Meckenheim steigt der Arbeitspreis beim Gas von 5,32 Cent pro kWh auf 22,38 Cent (brutto, Sondervertrag), in Neustadt liegt er ab 1. Januar bei 12,90 Cent (brutto, Grundversorgung), hinzu kommt hier ein Grundpreis von 131,61 Euro (der in Meckenheim nicht anfällt).

Auch beim Strom sehr teuer

Auch beim Strom ist das E-Werk Meckenheim laut Seiberth ab Januar deutlich teurer als die Werke in der Umgebung. Seiberth hat auch hier verglichen, wobei er einen Verbrauch von 4400 Kilowattstunden pro Jahr zugrunde gelegt hat. Die Meckenheimer zahlen dafür 3025 Euro, die Kunden der Neustadter Stadtwerke 1932. Noch günstiger sind laut Seiberth die Stadtwerke Wachenheim mit 1592 Euro. Diese sind übrigens auch beim Gas bei den günstigen Anbietern (4254 Euro bezogen auf 25.000 kWh).

Seiberth folgert daraus: Das E-Werk Meckenheim ist in der Region der mit Abstand teuerste Versorger. Der Meckenheimer wollte nun von Ortsbürgermeisterin Julia Kren wissen, wie sie die außergewöhnliche Belastung den Meckenheimer Bürgern erklärt.

Kren ist als Ortsbürgermeisterin auch Leiterin des E-Werks. Damit ist sie gemeinsam mit dem Werkausschuss zuständig für die Preispolitik und die Strombeschaffung. Die technische und kaufmännische Leitung des Werks sind in der Hand der Neustadter Stadtwerke.

Kren: Andere Bezugsstrategie

Die starke Preissteigerung erklärt Kren mit einer „anderen Bezugsstrategie“, verglichen beispielsweise mit Neustadt. Genauer wolle sie diese Strategie aus Wettbewerbsgründen nicht erläutern. Sie habe sie von ihrem Vorgänger im Bürgermeisteramt (Heiner Dopp) übernommen und keinen Grund gesehen, etwas daran zu ändern. „Es hat ja über Jahre bestens funktioniert.“ Was für das Werk aber in den vergangenen Jahren ein Vorteil gewesen sei, sei nun in der Energiekrise zum Problem geworden. Eine Umstellung der Bezugsstrategie sei indes „nicht von heute auf morgen“ zu machen. Sie werde derzeit häufig von Bürgern angesprochen und habe Verständnis für den Ärger, sagt Kren. Aktuell könne sie aber wenig tun. Sie hoffe, dass die Preise wieder sinken und das Werk dies dann auch schnell an die Kunden weiter geben könne.

Kren betont darüber hinaus, dass bei den veröffentlichten Preisen die Gaspreisbremse noch nicht berücksichtigt sei. Das Entlastungsprogramm zur Abfederung der Preissteigerungen soll von Anfang März bis Ende April wirken und für Januar und Februar rückwirkend greifen. Der Gaspreis wird damit auf 12 Cent brutto pro Kilowattstunde begrenzt, für 80 Prozent des Jahresverbrauchs vom Vorjahr.

Und wieso sind die Stadtwerke Neustadt so viel günstiger als die Meckenheimer? Geschäftsführer Holger Mück erklärt, dass die Stadtwerke „strukturiert“ einkauften, also langfristig. „Unser Ziel ist es, die Kunden kontinuierlich zu versorgen.“ Zu der Meckenheimer Einkaufsstrategie könne er nichts sagen. Aus den Protokollen des Werkausschusses geht hervor, dass ein Vertreter der Stadtwerke Neustadt im Juli ein so genanntes „Portfoliomanagement“ vorgeschlagen hat. Dies gilt als flexibelste Form der Gasbeschaffung und wird über professionelle Energiehändler abgewickelt. „Diese Variante soll zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich besprochen werden“, heißt es im Protokoll.

Seiberth: Einkaufspolitik gescheitert

Wolfgang Seiberth ist der Meinung, dass die Einkaufspolitik der Meckenheimer gescheitert sei. Man könne die Kunden nicht damit trösten, dass sie in der Vergangenheit günstig Energie erhalten hätten. „Die Vergangenheit zählt nicht, wenn es um Überlastung in der Zukunft geht.“ Er hat deshalb Widerspruch eingelegt gegen die Preiserhöhungen und bittet um „Nachweise, dass die angekündigten Erhöhungen nur den tatsächlichen Erhöhungen der Beschaffungspreise entsprechen“. Seiberth will außerdem wissen, warum viele regionale und überregionale Versorger zu „deutlich geringeren Preisen liefern“.

Die SPD bringt das Thema nun auch in den Gemeinderat. Dieser soll die „Offenlegung der Einkaufspolitik“ fordern, heißt es in einem Antrag der Fraktion. Außerdem soll die Ortsbürgermeisterin über die seit Mai 2019 abgeschlossenen Lieferverträge sowie die Beratung durch die Stadtwerke Neustadt „detaillierte Angaben“ vorlegen.

Kren betont, dass das Werk lediglich auf die steigenden Bezugskosten reagiere. Die Gewinnmargen seien ohne nicht groß, und es gehe nicht um „Gewinnmaximierung“. Informationen dazu, wie die Gaspreisbremse beim Kunden ankommt, werde sie weitergeben, sobald sie vorlägen.

Der Gaspreis in Meckenheim schnellt in die Höhe.
Der Gaspreis in Meckenheim schnellt in die Höhe.
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