Olympia-Tagebuch (3) Wenn schon nach dem ersten Spiel die Tränen fließen

Geknickt: Antje Döll.
Geknickt: Antje Döll.

Von Freitag bis zum Sonntag, 11. August, finden die Olympischen Spiele in Paris statt. RHEINPFALZ-Redakteur Sven Wenzel ist vor Ort und berichtet über die Entscheidungen, liefert Hintergründe und erzählt von seinen Begegnungen in der Stadt. Heute: Bis einer „Stopp“ sagt.

Die Olympischen Spiele hatten offiziell noch gar nicht begonnen, da waren die ersten Tränen schon geflossen. „Entschuldigung“, sagte Antje Döll nach der 22:23-Niederlage der deutschen Handballerinnen gegen Südkorea am Mittwochnachmittag. Nein, sie schluchzte, als sie durch die Mixed Zone der zur Handballarena umfunktionierten Messehalle im Süden der Stadt lief, wo die Reporter auf sie warteten. Döll fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht, die Augen rot. Vom Weinen.

Mich machen solche Begegnungen immer ein wenig nachdenklich. Wir alle lieben die Emotionen im Sport, positiv wie negativ. So entstehen die besten Geschichten, die wir erzählen könne. „Wir haben uns fünf Wochen den Arsch aufgerissen, wo andere eine freie Zeit hatten“, sagte Döll. „Es ist scheiße, wenn man sich dann nicht belohnt.“ Ein Zitat, das nun an vielen Stellen auftaucht. Aber dennoch: Was erwarten wir eigentlich von „unseren“ Sportlern? Eine Frage, die wir uns auch als Gesellschaft immer wieder stellen müssen.

Der Druck war zu spüren

Döll war die beste Werferin ihrer Mannschaft, sechs Tore gelangen der Linksaußen. Unter anderem erzielte die 35-Jährige nach einer Minute und 34 Sekunden das 1:0 für Deutschland – das erste Tor einer deutschen Mannschaft bei diesen Olympischen Spielen. Und doch war es am Ende zu wenig, die Mannschaft von Bundestrainer Markus Gaugisch gab in der zweiten Halbzeit eine Vier-Tore-Führung aus der Hand.

Bei Olympia sollten keine Tränen fließen, zumindest nicht nach dem ersten Spieß. Der Druck, der auf Döll und Co. lastete, war in der Halle greifbar. Das erste Mal seit 16 Jahren hatten sich die Handballerinnen für Olympia qualifiziert. Gegen Südkorea war ein Sieg fest eingeplant, den neben Slowenien warten in der Gruppe noch die Top-Nationen aus Nordeuropa. Und dann war da noch die Bitte (oder Vorgabe?) der Verantwortlichen aus dem Deutschen Haus, doch möglichst mit einem Sieg ins Turnier zu starten, damit die gesamte deutsche Delegation mit einem positiven Gefühl in die Spiele geht.

Leistung bedeutet nicht Erfolg

Spitzensportler sollen Vorbilder sein und Leistung bringen, Deutschland in der Welt repräsentieren, aber bitte erfolgreich – wenngleich manche von ihnen am Existenzminimum leben, sich in Förderstrukturen begeben, bei denen nicht immer klar ist, wie und ob es in der nächsten Saison weitergeht, wenn die Leistung mal nicht stimmt oder eine Verletzung dazwischen kommt. Bundeswehr und Polizei bieten Sicherheit durch ihre Sportfördergruppen, aber müssen Athleten in den Staatsdienst gehen? Andernfalls heißt es oft: Beruf oder Sport. Eine weitreichende Entscheidung – gerade in solchen Sportarten, die besonders alle vier Jahre bei Olympischen Spielen aus ihrer Nische kommen. Kaum war das Handballspiel der deutschen Frauen vorbei, lud der Kanuverband zur Pressekonferenz. Sportdirektor Jens Kahl sagte: „Wir sind ein Verband, der Leistung und Erfolg will. Zwei Medaillen wären schön.“

Ich selbst bin in der Frage, was wir von Spitzensportlern erwarten können, hin- und hergerissen. Natürlich sind Medaillen die Währung bei Olympia. Aber um dieses Ziel zu erreichen, braucht es viel, manchmal auch Glück. Die eigene Leistung kann man beeinflussen, man kann trainieren und sich verbesser. „Aber Erfolg ist die eigene Leistung im Verhältnis zur Leistung anderer“, hat mir Sportwissenschaftler Lutz Thieme von der Uni Koblenz erklärt, als die Leichtathleten bei der WM 2023 „erfolglos“ waren. Heißt: Ich kann noch so gut sein, wenn ein anderer besser ist, habe ich keine Chance.

„Ich will jetzt nicht alles schwarz malen“, sagte Antje Döll, als die Tränen getrocknet waren. Auch das sind Spitzensportler: Es geht immer weiter.

Am Eiffelturm kämpfen die Beachvolleyballer um Edelmetall.

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